Als Niunius erster Milchzahn ausfällt rennt sie aus dem Haus auf der Suche nach ihrem Opa. Er soll ihr helfen, den Zahn auf das Dach ihres Hauses zu werfen, damit sie wächst und lange lebt. So weit die Tradition. Niunius Viertel besteht aus kleinen, alten Gassen, in denen am Morgen das Leben erwacht. Kinder drängen zum Spiel hinaus, Erwachsene machen sich an die Arbeit. Niuniu kennt sie alle: die hübsche Schneiderin, den Messerschleifer, den Friseur, den Fischhändler mit dem großen Bassin auf seinem Fahrrad und den Mann mit der kleinen Popkornmaschine. Ihren Opa findet sie beim Schachspiel. Mit seiner Hilfe landet Niunius Zahn neben den ihres Vaters und Großvaters auf Dach. Nun beherbergt ihr Haus ihre Familiengeschichte über drei Generationen. Doch ein Wandel, die Baukräne am Himmel zeichnen sich ab. Die Häuserwände der schmalen Gassen sind mit dem Zeichen für Abriss gekennzeichnet. Sie müssen modernen Hochhäusern weichen. Werden mit ihrem Abriss auch die Geschichten der Menschen, die Nähe zu ihnen, das Miteinander, die Gelassenheit verschwinden? Niuniu streift mit offenen, neugierigen Augen durch ihre Welt. In China schreitet der Wandel zur Modernität schnell und selbstverständlich voran. Die in Nanjing beheimate Autorin und Illustratorin möchte vor allem zeigen und beschreiben, was in ihrer Stadt vor sich geht, wie Zeit verstreicht und Leben sich verändert oder vergeht. Mit ihrer Geschichte macht sie in Anbetracht dieser unaufhaltsamen Reise zur Moderne, den Moment des Innehaltens, des Schauens, Beobachtens und Wahrnehmens, wie es Kinder spielerisch tun, besonders kostbar. Ihre in Aquarell und Bleistift gezeichneten Straßenszenen sind voller Details und Lebendigkeit. Sie eröffnen uns eine ungewohnte Welt, die sich erstaunlich nah und vertraut anfühlt.