Die Linie, die um das Kinderparadies herumführt ist eine künstliche Grenze, die niemand übertreten darf. Als das erste Kind den ersten Schritt darüber wagt, ist in der Kindergruppe schon viel passiert. Eigentlich leben die Kinder glücklich hinter den sieben Bergen in drei Häusern und brauchen ihre Gedanken an nichts im Leben verschwenden. Alles ist nach dem Wunsch der Schäfin, die das vierte Haus bewohnt, geordnet. Die Schäfin ist im Bild kein Schaf sondern ein Hund. Ein Wachhund für die zwei Kindergruppen? Die Ringelblumen tragen dunkle Kleider und Ringelsöckchen und die Primeln helle Kittel. Mit ihren Topfschnittfrisuren wären sie sonst nicht zu unterscheiden.
Das Spielen, Malen, Singen und Essen der Ringelgruppe folgt genauen Regeln. Ebenso das Kartoffeln schälen, Waschen und die Handlangerdienste der Primeln. Voll ungerecht, findet die Erzählerin, die das Mitdenken nicht lassen kann. Ihr kleines Armband versteckt sie schon lang vor den Blicken der Schäfin. Sie bietet an, mit den Primelkindern die Kleider zu tauschen. Dann verschwindet auch noch der Topf für den Topfschnitt. Jetzt dürfen die Haare der Kinder nach ihren eigenen Regeln wachsen. Die Zeit vergeht und während die Schäfin schläft erfinden die Kinder gemeinsam neue Spiele. Es wird Zeit für den nächsten Schritt, der eben nicht der erste ist, denn eigene Entscheidungen zu treffen, will gelernt sein. Gemeinsam und vorsichtig wagen sich die Kinder über die Grenze ihrer bisherigen Welt.
Lindenbaum schafft in ihrem Buch ein für Kinder gut nachvollziehbares Bild einer Autokratie, in der sich durch den Gerechtigkeitssinn einiger Kinder viel in Bewegung setzt. Was Lindenbaum in verblüffender Leichtigkeit und Subtilität so märchenhaft in Szene gesetzt hat, ist doch extrem geerdet und liefert den Zündstoff für die brandaktuelle Kinderfrage, wieso und wo es Bestimmer gibt und in welchem Raum man selbst entscheiden darf, sollte oder gar müsste.