Als Kinderbuchautor und Illustrator ist Erhard Dietl der Mann weniger Worte. Die Erinnerungen an den Vater lässt er mit seinem Tod beginnen und blickt dann in der Ich-Perspektive, die wenig Aufheben macht, auf seine Kindheit, Jugend und das Erwachsenwerden in Regensburg, Ottobrunn und München zurück der 50er-70er Jahre . In Montagetechnik bringt er uns dazu die Stimmen seiner Eltern zu Gehör. Von der Jugend seines Vaters, seinem soldatischen Einsatz in den letzten Kriegswochen erfahren wir aus Tagebuchaufzeichnungen. Die Einblicke seiner Mutter hebt Dietl kursiv vom eigenen Text ab. Verliebt heiratete sie den schönen, klugen Mann. Doch die Ehe war von Anbeginn nicht das Richtige für den Vater. Mit seinen Kindern wusste er nichts anzufangen.
„Wir waren eine berührungsfeindliche Familie“, schreibt Dietl, der Kontakte mit seinem Vaters in Form von Züchtigungen erfuhr, welche die Mutter zu verhindern versuchte, indem sie ihren Mann gut bekochte. Sie erduldete seinen Alkoholkonsum und seine „Schnapsideen“, die Dietls Geschichten immer wieder neuen Zündstoff liefern. Trotz beständiger Geldnöte war der Vater voller Träume von Neuanfängen gewesen. Der gebildete Büchernarr sattelte vom Redakteuer beruflich zum Fotografen um, lebte parallel zur eigenen mit einer anderen Familie und spitzelte für die DDR. Am Ende seines Lebens wünschte er sich noch eine Eule als Haustier und schrieb einen Roman.
Außerhalb der Familie war er kontaktfreudig und eloquent, kochte asiatisch und spielte Klavier. Das erfuhr der erstaunte Sohn erst nach seinem Tod und gibt auch diesem Gesicht seines Vaters einen mich imponierenden Raum. Dietls Ausgangspunkt ist die Suche nach dem Verständnis für den Menschen, der sein Vater war. Am Ende beflügeln ihn die Fragen nach Mut und Unbeschwertheit, einer Balance zwischen Freiheit und Geborgenheit und nach dem Lebensglück. Dabei ist ihm ein berührendes, exemplarisches Lebensbild bayerischer Nachkriegszeit gelungen, in dem Lesende in den Vätern, Müttern, Kindern und Großeltern auch ihre eigenen Geschichten finden können.
Die Lieder erzählen von der Liebe zum Großvater, von Abenteuern an der Donau, dem gewalttätigen Vater, den 10 Geboten und der erste Liebe, vom Vergehen und Vergeben und von bunten Plastikblumen. Geschichten aus einem fast ganz normalen Leben, in denen jeder seine eigene Kindheit und Jugend wieder findet.