Ika sitzt einem Gefäß gegenüber. In den Konturen ihres Vaters schwappt eine fliederfarbenen Flüssigkeit. Verschwörungsideologien. Wir schauen hindurch und sehen uns einer nicht greifbaren Konsistenz gegenüber. Braucht es noch Worte? Ikas Vater ist ihr ein Fremder geworden. Sein Wortschwall tapeziert den Hintergrund der Kästchen. Ikas anfänglich schwarze Sprechblasen verschwinden in Transparenz. Sperling Bilder umhüllen uns mit Beklemmung.
Doppelseiten zeigen das Elternhaus mit seinen Zimmern im Aufriss. Es steht unbeteiligt da, wie eh und je. Wo haben sich die Familienmitglieder verkrochen? Die Erzählerin und jüngste Tochter der Familie, Ika, ist auf Wochenendbesuch gekommen. In ein kleines Dorf in der Provinz. „Bad Kaffheim“. Für die Studierende bleibt der kruschtige Platz auf dem Dachboden. Dort schläft sie in dem hier abgestellten Solarium, was in uns ein seltsames Lachen entlockt. Ika möchte den Stand der Dinge in Erfahrung bringen. Die ersten 27 Seiten dieser Graphic Novel sind Sperlings Bachelorarbeit. Ihre Geschichte ist frei erfunden und autobiografisch konnotiert. Sperlings Setting bleibt sparsam, die Zeit kurz: Freudige Ankunft, Schwester, Mutter, Szenen mit dem Vater. Hausarbeit, ein Hundespaziergang und das Dorffest. Dabei erzählt Sperling ganz nebenbei großes Kino. Wir werden hineingerissen in Entfremdung und Hilflosigkeit. In ein unspezifisches Stochern in Sprachlosigkeit und Ignoranz. Ihre Figuren, allen voran die Mutter umhüllt das Schulterzucken nebst ungelenkem und impulsivem Miteinander, Emotionsausbrüchen, bei denen jeder letztendlich für sich allein kämpft, während eine Zeitbombe tickt. Gibt es eine Werkseinstellung für Wahrnehmung. Immer wieder rinnt Flüssigkeit durch die Bilder, in deren Oberfläche sich der Blick spiegelt.
In ihrer Overtüre lässt sie leere Energydosen durch den Wagen der Schwester rollen. Schon hier entfaltet sie ihr Thema auf einer Seite. Lässig, verstörend, nervend. Können wir irgendetwas ändern? Ihre scheinbar so harmlosen Szenen überzieht Sperling mit einem Netz von Assoziation und Illusionen. Einmal gefangen, wird man die Gedanken zu dieser Geschichte lange mit sich tragen. Ein subtiles Debüt, dass spannende Register der Gestaltung zieht.