Ciprian, ist der Sohn einer Sinti und Roma Familie, die mit Bärenschaukämpfen ihren Lebensunterhalt verdienen. Nachdem ihr Wohnmobil kaputt geht flieht er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern nach Paris, um dort ein besseres Leben anzufangen. Doch die Schmuggler, die ihnen die Flucht ermöglicht haben, machen es ihnen durch monatlich wachsende Schulden unmöglich das Geld zurückzuzahlen, trotz des vielen Bettelns und Stehlens. Als Ciprian eines Tages mit der Metro weiter fährt als sonst, findet er sich bei einigen Schachspielern wieder und ist sofort fasziniert und abgelenkt von dem Spiel. Da er allerdings dadurch vergisst Geld zu sammeln, kommt es schnell zu Problemen mit den Geldeintreibern, die nun auch seine Familie zu spüren bekommt. Das Buch beschreibt gut die größtenteils unbekannte Situation in den Pariser Slums. Es zeigt nicht nur wie viele Sinti und Roma behandelt werden, sondern auch das große Problem von Bettlern, die ihr gesammeltes Geld an Gangs abgeben müssen, welches global präsent ist. Außerdem werden die Möglichkeiten und Relevanz von Bildung verdeutlicht. Die Bücherfresser
Ciprians Leben ist die Straße. Mit seiner Familie zieht er von Ort zu Ort, wie das "fahrende Volk" es tut, Gaman, ihren Bären im Schlepp. Sein Vater ist Bärenführer, wie auch schon der Großvater und dessen Vater es waren und Ciprian es werden wird. Auf Marktplätzen führt die Familie den Bärenkampf vor und sammelt Almosen. Mal sind sie geduldet, nie sind sie erwünscht und immer vor der Polizei auf der Flucht. Als ihr Auto kaputt geht müssen sie den Bären freilassen und geraten in die Fänge einer kriminellen Schleuserbande, die sie in ein Lager nach Paris verschleppt. Dramatische Lebensbedingungen und Ciprians Endeckung seines fotografischen Gedächtnisses stellen den Jungen bald in zwei unvereinbare Leben.
Petit erzählt mit Tempo und packender Dramatik vom Leid, dem Stolz und dem Lebensmut der Ärmsten der Armen. Von Menschen, die auch wir auf der Straße betteln sehen. Es sind die Kinder, welche mittels Neugier Neues wagen und im neuen Land auf heilsame Entdeckungreise gehen. Ciprian wird Madame Walfisch und Herrn Sehrsehrdick kennenlernen und sie im Jardin du Luxembourg beim Schach spielen beobachten. Lautmalerisch lernt er das Spiel und die ersten Worte der neuen Sprache, mit der er sich verständigen kann. Erste Schritte in der neuen Heimat. Petit schreibt über den Migrationsroman hinaus ein starkes Plädoyer für die Hilfsbereitschaft, den Spracherwerb, die Fähigkeit Lesen und Schreiben zu können, für Schulbildung und Bildung überhaupt, die Ciprian, der bis zu seiner Ankunft in Frankreich keine Schule besucht hat, Tür und Tor zu Menschen und neuem Denken öffnet. "Beobachten, verstehen, überlegen, spielen, siegen" wird beim Schach aber auch im Leben zu Ciprians Mantra werden. Ohne den mutigen Einsatz von Madame Walfisch, Herrn Sehrsehrdick, Monsieur Bohnenstage und Madame Schönauge jedoch, hätte er es wohl kaum geschafft. In kurzen Kapiteln und perfektem Erzählbogen lässt uns Petit, der Meister des länderübergreifenden Erzählens, alle Figuren und ihre Lebensweise zu Herzen gehen und verpackt hier noch Wissenswertes über das Volk der Sinti und Roma. Katrin Rüger