Stell dir vor du bist ein Mann. Du kannst fliegen. Du kannst diese Superkraft einfach jederzeit nutzen. Unter einer Bedingung: Du musst dabei Frauenkleidung tragen. In einer Welt in der Menschen ihre Seelen für ein neues Auto oder eine Reise verkaufen und Superheldentum ein ganz eigenes Geschäftsmodell ist, entdeckte August als Jugendlicher genau diese Superheldenkraft. Er ist Transvestit, trägt also gerne Frauenkleidung. Für ihn war die Bedingung demnach kein Problem. Doch nach einigen grandiosen Heldentaten zieht er sich zugunsten seiner Ehe aus der Welt der Superhelden zurück. Bis zu dem Tag, als seine Kräfte nötig werden, um einem Mädchen mit ihren seelenlosen Eltern zu helfen. Superhelden, Freundschaft, Geschlechterrollen, Diskriminierung, der Weg zu sich selbst: all das spielt eine Rolle in dieser Mischung aus Roman, Graphic Novel und Comic. Der Weltaufbau ist künstlerisch wie literarisch gut durchdacht, die anderen Superhelden und ihre teilweise nutzlosen, wie witzigen Fähigkeiten und das regelrechte Geschäftsmodell, das sich um diese entwickelt hat, lässt Dragman auch unter den vielen anderen Superheldencomics herausstechen. Die Bücherfresser
Der magische Seidenstrumpf, den August in der Sofaritze entdeckt, verleiht ihm die Superkraft fliegen zu können. Das tut er in Frauenkleidern, denn er liebt es, welche zu tragen. Es ist sein bestgehütetes Geheimnis, vor allem jetzt, wo er sich in Mary verliebt hat und Vater eines kleinen Sohnes ist. Ausgerechnet Mary fürchtet sich extrem vor Superhelden und August hat seine Frauenkleider auf den Speicher ausgelagert. Seit einiger Zeit häufen sich Morde an Transvestiten in der Stadt und seine alten Freunde, die Mädchen im Pretty Pretty, brauchen Dragmans Hilfe. In seiner genialen graphic novel inszeniert Appleby rund um Dragman die Kolleg*innen des Superheldensektors rmit überbordender Fantasie in bunter Vielfalt. Da steht Dog Girl mit ihrem guten Spürsinn Dragman zur Seite und Beliver läuft zur Höchstform auf, wenn er an sich selbst glaubt. Das wird sich fatal auswirken, nachdem er seine Seele verkauft hat und in die Fänge des dicken Fist gerät. Als Dragmans Gegenspieler segelt er in einer flachen Dose durch die Lüfte, welche die Liebe verkündet und Gewalt bringt. Sein Gebiet ist die Einordnung von Menschen in einer machtbezogenen, konservativen Welt und der Seelenan und -verkauf. Im Rahmen der klar angeordneten Bildsequenzen entwickeln die Erzählebenen und die Einschübe von Fließtext eine komplexe, figuren- und detailreich erzählte Geschichte, der es an nichts mangelt. Das Zusammenspiel der Superhelden, die Zwänge denen selbst sie unterliegen, die parallel laufende Familiengeschichte mit Liebe, Lüge, Geheimnissen und Ängsten. Augusts Leben bleibt auch ohne Superkräfte eine Superheldengeschichte, denn seine Mission ist es: Sein Leben in allen Facetten offen als Transvestit leben zu können. Steven Appleby ist nicht August, wie er in seinem Nachwort betont. Und doch hat auch er einmal einen Seidenstrumpf im Sofapolster entdeckt und ihn angezogen. Er weiß, wie es sich anfühlt, ein Geheimnis mit sich herumzutragen. Seit 15 Jahren lebt er seinen Transvestitismus offen aus. Katrin Rüger