Sollte Heirat nicht eine selbstbestimmte Entscheidung sein und die Tür in ein glückliches gemeinsames Leben öffnen?
In ihrem Debüt beschreibt die kameruner Autorin Djaïli Amadou Amal das Schicksal junger Mädchen in ihrer Heimat. Ramla, 17, wird eine Zukunft als gebildete Frau durch die Zwangsehe verbaut. Hindou, 17, wird von ihrem Ehemann körperlich und seelisch zerstört. Safiras Illusion einer glücklichen Beziehung zerbricht, als sich ihr Mann die junge Ramla zur Zweitfrau nimmt.
Zu ihrem eigenen Wohlergehen wird den Frauen in dieser patriarchalen, von Traditionen geprägten Gesellschaft Geduld gepredigt. Amal zeigt in überzeugender Verdichtung, was Geduld hier bedeutet: bedingungslose Unterwerfung, Unfreiheit und das Verschweigen von Gewalt an Frauen. Afrikanische Literatur ebenso wie das hier autobiografisch gefärbte Thema, sind im Jugendbuch eine Seltenheit. In ihrem Übersetzungsdebüt lässt Ela zum Winkel Amals Stimme auch im deutschen Sprachraum unverblümt erklingen.
Junge Lesende werden von der Autorin in ein aufwühlendes, polyphones Leseerlebnis hineingerissen, das ihr Mitgefühl mit unbekannten Lebenslagen schürt. Darüber hinaus gibt der Text in seiner Universalität unterdrückten Stimmen eine Bühne und sorgt für Weltoffenheit. Die Bücherfresser
Frauenrechte sind Menschenrechte! Es ist ein wahnsinnig fesselndes und emotionales Buch. Ich wollte beim Lesen mein ipad gegen die Wand werfen.
Jasper (17)
Ich hätte es voll cool gefunden, hätten wir dieses Buch in der Schule gelesen.
Elisabeth (15)
Im Herbst 2023, zur Frankfurter Buchmesse, wir ihr neuer Roman „Im Herzen des Sahel“ bei Orlanda erscheinen.
Berührend dokumentarisch berichtet Amal in ihrem Roman vom Leben der Frauen in Kamerun. Von Liebe keine Spur. Selbstbeherrschung und Geduld möge in einer arrangierten Ehe alles richten. Wie ein gebieterisches Mantra inszeniert die Autorin diese Lebensweisheit, die weniger wahr und helfend zu werden scheint, je öfter man sie hört. Hochzeiten sind Geschäfte unter Männern. Amal lässt zwei 17-jährige Mädchen aus dem westafrikanischen Volk der Fulben von ihrer Zwangsverheiratung erzählen. Ramla eine kluge Schülerin, ist eigentlich schon verlobt. Mit ihrem Erwählten hatte sie Aussicht auf ein Studium. Doch ihr Vater entscheidet plötzlich, sie als Zweitfrau einem Geschäftspartner zu geben. Der Altersunterschied beträgt mehr als 30 Jahre. Ihre gleichaltrige Halbschwester Hindou wird am selben Tag an einen für seine Gewalt bekannten Cousin der Familie gegeben. Widerspruch zwecklos. Rückkehr ins Elternhaus ausgeschlossen. Über die körperlichen und seelischen Verletzungen gebietet der fulbische Kodex Stillschweigen. Amal ergänzt die zwei jungen, defensiven Erzählstimmen der miteinander aufgewachsenen Mädchen um die von Safira, die eine andere weibliche Seite offenbahrt, wenn sie ihr zwanzigjähriges Alleinstellungsmerkmal als erste Frau vor Ramlas Zweitfrauendasein intrigant sicherstellt.
Gewalt, Verlassensein und Missgunst lassen Ramla ein Jahr nach ihrer Hochzeit eine Flucht ins Ungewisse starten. Auch die folgsame Hindou, die für alle sichtbar schwer misshandelt wird, versucht auszubrechen. Kaum können wir glauben, dass ein Weg aus diesem familiären Gefängnis, aus dem beschädigten Selbst heraus, gelingen kann. Man kann nur staunen, wieviel Mut und Kraft das nicht mehr Erdulden wollen diesen jungen Frauen gibt. Hier, wo nicht nur Männer ihren Frauen Gewalt zufügen, sondern auch Mütter und Tanten die Traditionen bewahrenden Handlanger dieser Männer sind.
Amal, heute eine Frauenaktivistin und Autorin, ist selbst als muslimische Fulbe aufgewachsen. Ihr Roman wurde mit dem Prix Goncourt des Lycéens ausgezeichnet. Ein Preis, der von jungen Leser*innen vergeben wird. Für erfahrene Leser*inenn schwingt in jeder neuen Geschichte eine eigene, erschütternde, aufklärende Wahrheit mit. Für Jugendliche könnte dieser Roman ein erster sein, aus dem sie über die rechtelose, entwürdigende und unmenschliche Ehesituation von Frauen in Afrika erfahren. Katrin Rüger
G.