Die Geschichte von Pia, Romi und Linda erfordert starke Nerven. Es ist Pia, die beide Geschwister verloren hat, deren Stimme wir hören, mal als Erwachsene, dann wieder in Rückblicken als kleines Kind. Gekonnt verknüpft die Autorin die Fäden von Gegenwart und Vergangenheit.
Lange verdrängte Fragen aus der Kindheit drängen vehement an die Oberfläche, als Pias eigenem Sohn vorgeworfen wird, sich mit seinen sieben Jahren einem Kind in der Schule sexuell genähert zu haben. Und ganz vorn, wie eine nie verheilte Wunde, die Frage: wozu sind Kinder fähig? Ist ihr Sohn dazu fähig gewesen? Steckt in ihm, der durchaus verhaltensauffällige Züge zeigt, ein „kleines Monster“, genau wie in ihrer Schwester Romi? Und soll sie wegsehen, muss Lucas bestraft werden, oder soll sie schweigen wie ihre Eltern?
Nach und nach nimmt uns die Autorin mit in Pias Kindheit, die vierjährige Linda und jüngste der drei Geschwister, die auf dramatische Weise stirbt und die ganze Familie traumatisiert. Romi, die adoptierte Schwester, die nach der aufrichtigen Liebe der Eltern hungert, deren kleine Grausamkeiten und Kämpfe aber Streit, Schläge und Abwehr hervorrufen.
Eine ganze Klaviatur an inneren Verletzungen, die Romi womöglich zu einem „Monster“ werden lassen, und sie ganz früh dazu bringen, auszubrechen und sich von allen abzukehren. Der Verlust der kleinen Schwester sowie Romis Fehlen ist wie eine Lücke, die Pia bis heute nicht zu schließen vermag, und darum stellt sie sich ihren Erinnerungen und fordert Antworten von den Eltern ein.
Der Roman greift das psychologisch hochsensible Thema einer Traumatisierung in der Kindheit auf, das in meinen Augen ohne psychologische Begleitung kaum zu bewältigen ist. Pia versucht, aus eigener Kraft eine Klärung zu suchen, die Geschichte entwickelt dabei seinen ganz eigenen Sog, denn nichts wünscht man sich mehr, als dass sie am Ende heilen kann.