Die Holzbaracken von Schmalensee lagen verstreut am Fuße des Karwendels, im Voralpenland um Mittenwald. Sie waren die ehemaligen Unterkünfte des Reichsarbeitsdienstes. Als Jüngster und achtes Kind wird Michael Frank dort in eine Großfamilie hineingeboren. Ein Nachkriegskind. Die Lebensverhältnisse seiner Familie waren sehr bescheiden, streng katholisch und von wilder Natur umgeben. Der Vater, ein angesehener Fiedel- und Gambenbauer, die Mutter, eine von der Arbeit für die Familie vollkommen besetzte, zurückhaltende Frau. Auf seiner literarischen Suche nach den Spuren kindlicher Erinnerung folgt Frank einem Pfad, auf dem alles und jedes seine Eigenart hatte. Das eine wurde in seiner unerklärlichen Existenz wahrgenommen und gelebt, das andere erklärte das Kind sich selbst. Es war in der Regel sich selbst überlassen. Und manches erschien später, aus der Distanz in einem völlig anderen Licht. Auf diesen drei Ebenen überrascht Frank immer wieder. Meisterhaft jongliert er seine Eindrücke in Vor- und Rückblenden über die Buckelwiesen mit ihrer duftenden Heumahd. Er schickt sein kindliches Ich an steilen, steinigen Schrofen auf den Weg über den Abgrund zwischen Leben und Tod: sommers barfuß mit seinen im Teer festklebenden Füßen, winters auf den langen Schulweg im dramatischen Kampf mit dem Schnee, in gefrorenen Strümpfen und lausigem Schuhwerk. Anrührend unglaublich wirkt das Familienleben, wenn der Vater mit Hilfe aller die schweren Holzkisten mit den Noten und Fiedeln auf Gepäckträger und Lenker des einzigen Fahrrades der Familie stapelt, um mit der kostbaren Fracht bergab dem Bahnhof entgegenzuschlingern. Auf seinem Rückweg schob er die Kisten hinter dem Haus aus dem Zug, sodass sie den Bahndamm hinab fast zur Haustür wieder hinein rollen konnten. Die musizierende Harmonie von Mutter und Vater blieb für das letzte Kind ein einmaliges Erlebnis. Als sich für Frank der geschlossene Kosmos seiner Kindheit endlich mit dem Leben im Internat und Familienbesuchen zu öffnen begann, legte der Bau der Mauer neue Hindernisse in den Weg, die es wiederum ideenreich zu umgehen galt. Franks zeichnet die Lebenswelt des Werdenfelser Landes der Nachkriegszeit mit beeindruckender Intensität. Seine Bilder erfüllen den Raum, fesseln und berühren. Sie lassen mitfiebern bis die verrückt versponnene Ouvertüre auf den letzten Seiten seine grandiose Auflösung findet. Für mich wird seine Geschichte nun immer mitschwingen, beim Anblick der Karwendelspitzen, einer Schneeschuhtour zwischen Mittenwald und Krün, oder einer Bergwanderung auf die Dammkarhütte.