In dieser Graphic Novel nimmt Barbara Yellin uns mit, in ihre Gespräche mit Emmie Arbel. Emmie Arbel ist in den Niederlanden geboren worden und lebt heute in Israel. Sie war vier Jahre alt, als sie mit ihrer Familie erst in das KZ Sammellager Westerbork, dann in das KZ Ravensbrück, später in das KZ Bergen-Belsen deportiert wurde. Sie überlebte. Das Ende des Krieges brachte für Emmie die Befreiung, aber kein Ende von Gewalt und Verloren sein. Yellin fokussiert nicht nur die stark verschütteten Erinnerungen aus den Lagern sondern das gesamte Leben bis in die heutige Zeit. Ohne zu deuten, lässt sie uns teilhaben, an Erlebten, an ihren intensiven, über zwei Jahre andauernden Gesprächen, in denen sie selbst immer auch Teil der Graphic Novel bleibt.
Wie schon in ihrer Graphic Novel Irmina, in der sie einen Teil der Lebensgeschichte ihrer Großmutter nachzeichnet, füllt Yellin Sprachlosigkeit mit ausdrucksstarken Bildern, die jedes für sich mehr als tausendWorte sagen. Gebannt folgen wir, wenn wir heute in der farbenprächtigen, lebendigen Natur von Emmie Arbels Garten zwischen ihren Kindern und Enkelkindern sitzen, den stummen Augenblicken des Fühlens, der Suche nach einer Form, die das Erlebte, das kaum Nachvollziehbare, für Außenstehende verständlich macht. Emmies Erinnerung setzt sich, wenn sie Raum greift, von ihrem späteren Leben ab, da man mit ihr in ein schwarzes Loch gesogen wird. Und doch greift alles immer wieder ineinander. Das Licht und die Dunkelheit. Auch der Augenkontakt spielt in Yellin Bildern eine variantenreiche Rolle. Wenn sie uns in Emmies Augen schauen lässt, verwehrt sie uns mal durch das spiegelnde Weiß ihrer Brillengläser den Blick, mal erkennen wir hinter dem Glas nur schwach die schwarzen Punkte ihrer Pupillen und dann gibt es die Momente, in denen Yellin uns Emmie in Liebkosung mit ihrem Enkel zeigt oder wir ihr direkt und unverstellt in die Augen schauen können.
So erspüren Yellins Bilder künstlerisch feinsinnig das Leben. Sie füllt damit die Lücken des Ungesagten und überlässt uns den Raum des Mitfühlens. Eine von Yellins Beobachtungen in diesem Projekt: Die Fragen der Nachgeborenen sind nicht die Fragen der Überlebenden. Dieser behutsame Versuch einer Annäherung lässt uns mit vielen Fragen, aber auch mit neu gewonnenen Erkenntnissen zurück.