Alice ist eine Außenseiterin. Sie spricht nicht viel, ist häufig krank und wird von ihren Klassenkameradinnen „Bazille“ genannt. Am Abend liegt sie in ihrer „gebügelten, nach Lavendelwasser duftenden Bettwäsche.“ Aber der heimelig behütete Schein trügt. Ihr Großvater ist ein Tyrann, der seine finanzielle Macht gegen ihre Eltern gewalttätig ausspielt. Als Niko in Alice Leben tritt, versucht sie mit ihm aus diesem, all ihre Lebenskraft aussaugenden, Käfig zu entkommen. Rabinowich erzählt Großes und Schmerzhaftes mit beeindruckend ruhiger Stimme und psychologischem Geschick. Sie beginnt mit dem Ende, an dem ein Spiegel zu Bruch geht. Seine Scherben bilden das Mosaik des Erinnerns. Das Glas hat nicht nur symbolischen Charakter. Es reicht bis zum Beginn von Alice‘ Leben, zum Brutkasten in der Frühgeborenenstation, es verstellt den Blick und verzerrt. Es hält Alice von den Menschen fern. Alice teilt ihren Namen mit Alice im Wunderland. Im Schraubstock der Gewalt schrumpft ihr Ich. Als sie den Schritt nach draußen wagt, kann man zuschauen, wie sie zur Persönlichkeit heranwächst. Mutig beginnt Alice Neues zu wagen, sich von der Gewalt zu befreien, die ihr Leben und das ihrer Eltern auf allen Ebenen dirigiert. Dabei wird die Trennung der Gewalt von der Liebe, ein Deckmantel der Beteuerungen, mit dem sich Gewalt zu schmücken pflegt, zur größten Schwierigkeit. Alice agiert ungeplant, waghalsig und mit großem Einsatz. Man darf staunen und ist berührt von der Intensität dieses poetischen Textes.