Die Sea Watch hat ihr Beiboot zu Wasser gelassen und nähert sich dem hochseeuntauglichen, überladenen Boot. 400 Menschen sitzen darin auf engstem Raum und hoffen auf Rettung. Das von der Crew eingeübte Rettungsszenario muss beherzt an die Situation angepasst werden. Zu viele Menschen springen mit den von den Helfenden verteilten Schwimmwesten vom sinkenden Kahn ins Wasser und müssen so schnell wie möglich über den Rand des Rettungsbootes in Sicherheit gezogen werden. Wie durch ein Wunder können am Ende dieses kräftezehrenden Einsatzes alle geborgen werden. Bei einen weiteren Einsatz hat sich das Benzin des Bootmotors entzündet. Die im Seewasser sitzenden Menschen haben schwere Brandverletzungen. Auf der Sea Watch können die Verletzten notdürftig ärztlich versorgt werden, doch sie brauchen dringend weitere Hilfe in einem Krankenhaus. Die naheliegendsten Anlaufstellen verwehren der Sea Watch das Einlaufen in ihre Häfen.
All diese menschlichen Dramen und politischen Kämpfe, so wird uns plötzlich bewusst, spielen sich täglich an den Außengrenzen Europas statt. „Im Krieg gegen Einwanderung ist wegschauen die effektivste Waffe“, sagt Pourviseh nach seiner Zeit auf der Sea Watch. Einige Wochen hat er die Crew dieser Deutschen Hilfsorganisation auf See begleitet. Ihre Mission: Seenotrettung Geflüchteter im Mittelmeer, eine der tödlichsten Fluchtrouten nach Europa. Pourviseh hat aus seinem Recherchematerial diesen Tatsachenbericht in Form einer Graphic Novel gestaltet, in der nicht nur der Akt der Humanität, sondern ebenso das Trauma der Geflüchteten, die seelischen Auswirkungen auf Helfende und die politische Gesamtsituation zur Sprache kommen. Ihm ist ein eindringlicher, lebensnaher Bericht gelungen, der unter die Haut geht.
Wenn er abschließend sagt: „In der zivilen Seenotrettung entscheidet die Bevölkerung was human ist. Die Spender*innen, die Menschen, die auf die Straße gehen und die Crews auf den Rettungsbooten wie der Sea Watch“, fühlen wir Lesende uns direkt angesprochen.