„Papa hört kein Radio. Er sitzt im Wohnzimmer. Es ist ganz still, nur das Feuer im Kamin knistert und knackt.“ (Zitat „Papas Arme sind ein Boot“) Worte eines kleinen Jungen fließen nach dem Tod seiner Mutter auf schwarzen Grund. Daneben ein schlichtes Haus in weißer Papierlandschaft. Eine Birke, ein Stein, ein Stück Brot und eine rote Schaukel. Verwaist hängt sie am Baum und lässt mit ihrem Rot den Blick des Betrachters nicht gehen, welcher bald in Gedanken, den Jungen auf der Schaukel sitzen sieht. Sein Vater steht wohl dahinter und gibt ihm Schwung. Ihr imaginäres Lachen erfüllt das Rund. „Das ist jetzt schon eine Weile her“ sagt der Text und führt den Leser zurück in die beseelte Traurigkeit des Buches. Natürlich kann man da nicht schlafen. Der Junge nicht, welcher von der äußersten Ecke seines Gitterbettes zu uns aufblickt, und der Vater, in sich versunken vor dem Kamin, auch nicht. Der Raum und die Gefühle scheinen unermesslich groß und weit. Da flüchtet sich der Junge in die Arme seines Vaters, als kleines Knäuel hält Papa ihn fest und schreitet mit ihm Wange an Wange durch ihre „verrutschte Welt“. Der windschiefe Spültisch mit seinen aufgeklappten Laden in Seitenansicht, der Esstisch daneben in Draufsicht, die Zungen des Feuers hinter dem Pfosten verwirbelt zum Segel. „Papas Arme sind ein Boot“, welches den Jungen über Wasser hält und dabei auch den Papa selbst nicht untergehen lässt. Auf diesem Boot ist jeder für sich und doch sind beide auch gemeinsam. Beim Ausflug durch schablonenhaften Wald versucht der Junge der nächtlich schlafenden Welt mit Worten Leben einzuhauchen. Ein Fuchs huscht mit rotem Schwanz durch das Bild. Vögel flattern auf. Wird den Vögeln genug Brot bleiben, wenn ein Fuchs umherzieht? Zaghafte Gedankengebäude, die müde machen. Wieder im Wohnzimmer zurück hat die Welt um die Couch eine zarte Farbe bekommen. Der Kamin leuchtet rot, das Feuer knistert noch immer, aber die Stille ist der Ruhe gewichen. „Wird schon werden“, sagt Papa. „Sicher?“ „Ganz sicher.“ Das Thema Tod erfährt derzeit eine intensive und neue Auseinandersetzung in Bilderbüchern. „Ente,Tod und Tulpe“, „Die besten Beerdigungen der Welt“ und „Gehört das so?“ sind zurecht preisgekrönte Titel, denen „Papas Arme sind ein Boot“ das i-Tüpfelchen aufsetzt. In seinem ganz realistischen, eindringlichen wie ehrlichem Ton, mit seiner kunstvollen Papier- Foto- Zeichenmontage und seiner Sparsamkeit nicht nur in der Farbgebung ist dieses Buch ein ruhiger, ergreifenden Fluss, ein kunstvoller Dialog zwischen Wort und Bild, der sich dem großen Schmerz des Verlustes auf ganz besondere Art und Weise nähert. Die tiefe Ehrlichkeit und Einsamkeit in der Gefühlswelt von Vater und Sohn aber auch die große Liebe im Zusammenhalt, die Geborgenheit der beiden verankert sich im Herz des Lesers. Der Vater, welchem der Betrachter nur einmal - bei der Wahl einer Jacke - ins Auge blicken kann, geht dabei mit sich und seinem Schmerz anders um, als sein kleiner Sohn, der Hilfe suchend die offenen Augen in die Welt richtet. Seine Verantwortlichkeit als Erwachsener für das Kind vergisst der Vater in seiner Innerlichkeit nie. Zwischen den beiden fühlt sich jeder Betrachter ganz merkwürdig aufgehoben. Alles scheint stimmig und genau richtig so. Die beiden akzeptieren auch ganz unausgesprochen, das ein jeder seinen Raum und seine Zeit braucht. All das, was hierbei schwer in Worte fassbar ist, zeichnet das Bild. In ihrer Sparsamkeit pulsieren Text und Bild und sind doch so voller Lebendigkeit. Am Ende des Buches fühlt sich der Leser wie heimgekehrt von einer großen abenteuerlichen Reise. Wundersam glücklich erfüllt von den Erlebnissen und voller Zuversicht. Zuversicht mal wieder lesend gemerkt zu haben, dass das Mitfühlen für einen selbst wie für Kinder so wichtig ist. Und dass das Wissen um die großen Gefühle, das Reden und Lesen darüber alle nur lebensstärker machen kann.