Trinket ihr Cocktails?
Ja, dann werdet ihr in diesem Wissensschatz schwelgen und die Spirituosen in euren Cocktails aus neuem Blickwinkel schmecken.
Trinkt ihr keine Cocktails, dann werdet ihr in ein faszinierendes Thema geworfen, denn seit der Mensch herausgefunden hat, wie sich Hochprozentiges herstellen lässt, prägen die Kultivierung dieser Getränke unser öffentliches und privates Leben.
Entlang destillierter Trauben, Getreide und Melassen, sprich des daraus gewonnenen Alkohols, schreiben Ehmer und Hindermann, Bartenderinnen der Victoria Bar in Berlin Schöneberg, hier 850-jährige Alkoholgeschichte. Im Fokus Weinbrände, Whiskys, Wodkas, Rum, Gin, Tequilla und Champagner, aufgeteilt in Semester, die ganz nach Geschmack unabhängig besucht werden können.
Ihre Geschichte dieser Spirituosen, die entgegen aller Embargos zum „Flaschengeist der frühen Globalisierung“ wurden und durch Experimente in ihrer Herstellung, Kreationen in der Mixtur oder durch Zufälle verfeinert oder gewandelt wurden, birgt in vielen dieser hier grandios erzählten und in faszinierende Zusammenhänge gebrachten historischen und zeitgeschichtlichen Details fesselnde wie amüsante Aha-Momente.
Erfunden, hergestellt, vertrieben und getrunken wurde Hochprozentiges in aller Welt. In Wirtshäusern, Saloons, Trinkhallen, American Bars, Tavernen und Speakeasys. In Gesellschaften, Zarenpalästen und an Königshäusern. In täglichen Rationen, ausgegeben an Piraten, Matrosen und Soldaten wurden sie kriegsentscheidend. Selbst die Prohibition konnte den Menschen nicht vom Alkohol trennen. Sie zwang seinen Konsum ins Private und sorgte unverhofft für Gleichberechtigung.
Aber erst wenn wir von unseren Ausflügen nach Polen und Russland heimgekehrt und weitergereist sind in den Westen, in die Neue Welt, wo wir den Fängen der Mafia und Al Capone knapp entkommen konnten um uns Henry Morgan und der Karibik zuzuwenden, wo „die Schiffe noch aus Holz und die Männer aus Eisen sind“ und dann mit Lord Nelson, dessen toter Körper in einem Rumfass stehend aus der siegreichen Schlacht von Trafalger nach England überführt wurde nach Europa zurück gelangen und erneut in Frankreich landen, wo anfangs schon der Dunst über Cognac 22 Millionen Flaschen entspricht, der die Engel zum zweitgrößten Absatzmarkt weltweit macht, sollten wir uns dem letzten Kapitel, dem Champagner zuwenden.
Dieser „Teufelswein“ ist ein prickelnder und wahrlich krönender Abschluss. Und wenn man sich dann am Ende doch dafür entscheiden sollte, geruhsam mit der Rheinschifffahrt an der Loreley entlang zu schippern und den dort angebotenen Rüdesheimer Kaffee zu probieren, sollte man vorher einen Blick in das angehängte Rezeptbuch werfen, in dem alle in dieser Schulung auffällig gewordenen Cocktails versammelt und kommentiert werden. Der alles überzeugende Kommentar zum Rüdesheimer Kaffee Rezept lautet „Vergessen Sie alles, was sie gelesen haben. VERGESSEN. SIE. ES. JETZT.“
Für richtiges Cocktailfeeling lieber nochmal zurückgeblättert, zum Gin. Denn hier kommt der Martini und seine illustre Fangemeinde zu Wort. Nur einer nicht, James Bond. Ein Martini wird eben doch gerührt und nicht geschüttelt. Grundlegende Serviervorschläge, ob mit Olive, mit Perlzwiebel oder gar Lakritzbonbon werden erörtert. Ein Radieschen tut es auch. Ein wunderbar trockenes, auf den Punkt erzähltes Kapitel, bei dem man herzhaft lachen kann, aber auch weinen, denn als Volksdroge richtete die Spirituose aus Nationalstolz heraus mit guter Lobbyarbeit und falscher Politik flankiert im London des 18. Jahrhunderts Verheerendes an.
Ob wir gern trinken oder nicht, dieses Buch ist ein göttliches Must Have. Perfekt ausbalanciert, überraschend und stimmungshebend. Lange habe ich mich nicht mehr so gut unterhalten, so berauscht, so trunken gefühlt und echt was gelernt. Ganz ohne Alkohol im Glas.