Nora Eckert wurde 1954 ins Arbeitermilieu hineingeboren und ist in Nürnberg aufgewachsen. Anfang der 70er Jahre zog sie es nach West-Berlin. Hier vollzog sie ihr Passing zur Frau. Zunächst arbeitete sie in verschiedenen Nachtclubs, unter anderem als Garderobiere bei Chez Romy Haag, einem der angesagtesten Nachtclubs der Stadt, in dem sich Promis wie David Bowie, Udo Lindenberg, Freddy Mercury, Katharina Thalbach und Thomas Brasch trafen und Romy Haas, ebenfalls eine Trans*frau glamouröse, unvergessliche Travestieshows inszenierte.
Nora Eckert beschreibt ihr Leben in der queeren Subkultur Berlins, in einer Zeit, in der es für all diese Lebensvarianten keine Begriffe gab und die bundesrepublikanische Gesetzesgrundlage diesen Menschen kaum ein bürgerliches Leben ermöglichte. Als „Fumeltanten“ lebten Trans*menschen ihren Rollentausch bestenfalls als Inszenierung. Hier zu einer Selbstverständlichkeit im Umgang mit Körper und Seele zu finden, beeindruckt mich in dieser Biografie ebenso wie das unbeirrte Selbstbewusstsein und der starke Lebensmut. Dabei betont Eckert die Zweigeschlechtlichkeit, die Trans*menschen mit sich selbst erfahren und beschreibt diese Wandel als Passing, nicht als Angleich an das andere Geschlecht. Die Einnahme von Hormonen gehörte dazu, ein operativer Eingriff nicht. Eine Haltung, die sie bis heute vehement vertritt.
Ab Mitte der 80er Jahre lebte und arbeitete Eckert als Frau und schrieb, der Faszination von Bühneninszenierungen treu bleibend, als Kulturredakteurin für die taz und andere Zeitungen über die Theater- und vor allem Opernszene Kritiken, Aufsätze und hielt Vorträge. Auch dieser Wandel vom Nacht- ins Tagleben ist mehr als beeindruckend. Wenn man ihre Vorträge und Analysen zum Schaffen und zur Rezeption von Hamlet, Büchner, Rossellini und Wagner nachliest, fragt man sich, wann sie sich all dieses Wissen neben ihrem Tagesjob ohne Studium autodidaktisch angeeignet hat. Ihre starke Sinnlichkeit und intellektuelle Kompetenz machen ihre Texte zum mitreißenden Ereignis. Diese Biografie, an dessen Ende sie vom Kleider- und Rollentausch zum erneuten Outcoming in der breiten Öffentlichkeit gelangt, in der sie sich heute für die natürliche Variabilität in Genderfragen einsetzt ist eine Offenbarung. Darüber hinaus bietet das Buch ein wunderbar treffliches Zeitbild West- Berlins der 70er und 80er Jahre.
In thematischer Inszenierung folgen wir Eckert leidenschaftlich in ihre Lebenswirklichkeit zu ihren Fragen nach Gottes Blick auf die Menschen über komödiantische Ausflüge zu Was ihr wollt und dem bundesrepublikanischen Gesetzesirrsinn, wenn man die Änderung des Geschlechtseintrages beantragte, zu Wahrheit, Schein und Frank Sinatras gecoverter Version von I did it my way. Dabei streifen wir alle Voreingenommenheit ab. Ein Text, der uns mit offenem Herzen und offenen Augen begegnet, viel zu geben versteht und stark beeindruckt.