Mit zwölf Jahren verliert Derin ihren Vater bei einem Bombenanschlag am Flughafen in Orly. Die Erinnerung an ihn bewahrt ihre Mutter in Kisten im Flur auf, welche die Heranwachsende erforscht. Sie liebt seine Bücher, die sich in ihrer Auswahl vollkommen von denen Mutter unterscheiden. „Diese Bücher öffneten mir die verschlossenen Räume meines Gedächtnisses und wiesen mir einen Weg durch die fremden Korridore meines Lebens“, lässt Altug seine Protagonisten resümieren.
Die erwachsene Frau, und damit beginnt Altug seinen Roman, arbeitet als Journalistin für eine französische Zeitschrift, als Hrant Dink, Journalist und Herausgeber der in türkisch und armenisch verfassten Zeitschrift Agos auf offener Straße erschossen wird. Derin, bei ihrer Pariser Zeitschrift die einzig türkisch sprechende Redakteurin, wird nach Istanbul entsandt, von der Beerdigung zu berichten. 100.000 Mernschen erweisen Dink in einem Trauerzug die Ehre und Derin taucht in die armenisch türkische Geschichte ein, welche ein Stück weit auch ihre eigene Familiengeschichte ist.
Altug verbindet den fiktionalen Roman mit historischen Fakten wie dem Genozid an den Armeniern, dem Bombenanschlag und der Ermordung Dinks. Seine kurzen Kapitel nehmen schnell Fahrt auf, treiben Lesende voran und lassen sie gleichzeitig innehalten, denn viele seiner Sätze sind tiefgründig und poetisch und geben unerwartete Lebenseinblicke. Ein beeindruckendes Stück Literatur, das sich genussvoll liest, selbst wenn der Text an Dramatik nicht entbehrt.