begegnen wir Ubah Cristina Ali Farah. Die somalisch-italienische Autorin begeistert die Bücherfresser sofort.
Sein Vater ein Mörder? Yabar weiß wenig über seinen Vater. Zu wenig. Zu wenig auch über das Land seiner Eltern, über Somalia und den Bürgerkrieg im Land. Zu viel Schweigen, zu viele Geheimnisse.
In den Straßen Roms und an den Ufern des Tibers ist der gerade schon wieder Sitzenbleiber Yabar auf der Suche. Auf der Suche nach seinem Vater, nach der Auflösung so vieler Ungereimtheiten in seiner Familiengeschichte, nach der eigenen Identität. Nach dem Ursprung seiner unkontrollierten Wut, dem die Tränenausbrüche folgen, die er nicht abstellen kann. Wie peinlich, diese Sensibilität für einen jungen Mann.
Seine Mutter schickt ihn zur Familie nach London, in den somalischen Mikrokosmos, dem er kurze Zeit später wieder entflieht. Nein, hier gehört er nicht hin.
Ubah Christina Ali Farah erzählt Yabars Geschichte von ihrem Ende her. Yabar hat es geschafft. Geschafft bis zum Krankenhaus. Hier vor den Türen hat er das Bewusstsein verloren. Woher die Verletzung in seinem Gesicht rührt, die ihm fast das Augenlicht kostet, bleibt bis zum Schluss Yabars Geheimnis.
Yabars Geschichte ist beispielhaft für viele Migrationsgeschichten unserer Zeit. Beständig auf seine Hautfarbe angesprochen kann er einer Auseinandersetzung mit sich selbst nicht entkommen. Mit Yabars Mutter, ihrer Verbündeten Tante Rosa, die gar keine echte Tante ist und umso mehr diese Rolle ausfüllt und deren Tochter Sissi stellt Ali Farah Yabar starke Frauenfiguren zur Seite.
Doch wer ist nun der Kommandant des Flusses? Zufällig trägt er Yabars Namen. Yabar glaubt lange, dass Tante Rosa in dieser Geschichte aus Somalia, die Sissi und er so gerne hören, seinen Vater meint. Den Beschützer der Menschen und Helden im Kampf. Den Mann, der mit Entschlossenheit im Interesse des Volkes, des Guten handelt. So stellt er ihn sich vor. Nur das wäre für ihn ein aktzeptabler Grund die gerade nach Rom geflüchtete Familie wieder zu verlassen und nach Somalia zurückzukehren. Doch so ist es nicht.
Einfühlsam werden wir mitgenommen und versuchen mit Yabar sein Lebensknäuel zu entwirren.
„Das Leben einer Person ist sehr viel komplexer als ihre Hautfarbe. Wir sind alle auf unsere Weise anders. Die Augen allein reichen nicht, sie sehen nur die Oberfläche, sie blicken nicht in die Tiefe", wird Yabar am Ende feststellen. Wir verstehen seine Worte, wir spüren die transgenerationellen Folgen des Krieges und wo sich letztendlich sein Herz zuhause fühlt.
Schon 2014 in Italien erschienen, hat der Roman gerade jetzt eine große Aktualität und Strahlkraft. Henrieke Markert hat die jugendliche Stimme Yabars stimmig ins Deutsche übertragen. Ein packender gesellschaftspolitischer Roman von großer Authentizität. Jugendliche werden Yabar lieben.