Als CIC des amerikanischen Spionage Abwehr Dienstes nimmt Frank Rosenzweig im April 45, in die Armee eingebettet, Berchtesgaden ein. Sein Name verrät die deutsch jüdische Herkunft. Dem Vater, einem angesehenen Rechtsanwalt in München, gelang zehn Jahre zuvor mit der Mutter und ihm die Flucht nach New York.
Mit Blick auf den Obersalzbergs, einem symbolträchtigen Ort, richten die Amerikaner ihre Kommandantur ein. Hier führt Frank Rosenzweig auf der Suche nach den Tätern im Nationalsozialismus seine Verhöre. Hier werden wir Julius Streicher und anderen begegnen. Franks Hoffnung ist es, die Amerikaner mögen nun in der deutschen Bevölkerung den demokratischen Gedanken pflanzen.
Ebenfalls in der Kommandantur arbeitet Sophia Gruber, ein junges Mädchen aus einer Berchtesgadener Familie von Holzschnitzern. Sie schafft es, als Schreibkraft und Dolmetscherin anzuheuern, auch wenn sie den Fragebogen nicht ganz wahrheitsgemäß ausfüllt.
Ihr offenes und gut beobachtendes Wesen lässt den Gedanken der Schuld zu, die nun alle von sich weisen. Sie wird sich in einen GI verlieben, einen Schwarzen. Hier gerät auch auch der amerikanische Rassismus in Blickfeld.
Um die beiden herum positioniert Otto eine beträchtliche Anzahl von Figuren, die eine sorgsame Bestandsaufnahme von Lebensläufen, Schicksalen und Haltungen jener Zeit verkörpern. Dabei mischt sie fiktionalisierte und real existierende, jedoch literarisierte Personen, wie den ersten Bürgermeister Berchtesgadens, Rudolf Kriss, der nach einer Denunzierung verhaftet und von Freisler zum Tode verurteilt wurde. Er überlebte.
Ottos umfangreiche Recherchen waren zunächst für eine Fernsehserie gedacht und mitunter wünsche ich mir für ihre Figuren die Schauspieler und Regieanweisungen, die ihr Innenleben lebendig und beweglich werden lassen. Charakterliche Entwicklungen der wohl Positioneierten sind kaum merklich.
So verzieht sich mit Ankunft der Amerikaner Sophias Bruder Max, ein strammer SS-ler und Mitbeteiligter an Kriegsverbrechen, in eine Hütte im Steinernen Meer, wo Sophia ihn mehrfach besucht, zur Rede stellt und verstehen möchte, bis er über die Berge gen Süden unserem Sichtfeld entschwindet.
Der Reiz dieses Romans liegt in der literarisierten Bestandsaufnahme von Fakten zur Stunde Null. Rosenzweigs und Grubers zarter Gleichklang wird von einem Buch getragen, das beide gelesen haben: Lion Feuchtwangers Erfolg. Ein Schlüsselroman der 1930er Jahre, dessen Lektüre nach dem Genuss dieses Historienschmökers unbedingt zu empfehlen ist.