Unserem Nussbaum im Hof hatte ich bis zu dieser Lektüre nicht viel Aufmerksamkeit beigemessen. Die in Berlin und Slowenien lebende Autorin Nataša Kramberger erzählt autobiografisch von sieben prophetischen Jahren auf ihrem Bauernhof. Er liegt in ihrem slowenischen Heimatdorf, nicht weit der österreichischen Grenze. Im Versuch ökologischen Landwirtschaftens auf vier Hektar Acker und Wald, mit Obstbäumen, Weinberg, Gerste und Gemüsegarten erarbeitet sie sich ihr landwirtschaftliches Wissen aus Büchern. Doch die unberechenbare Natur durchkreuzt konsequent ihr Schaffen.
Diese Natur, das wird mit jeder Zeile bewusster, wird immer über allen Handlungen der Menschen stehen. Sie bezwingt uns und nicht wir sie. Mit Eigensinn rauschen die Worte dieser Erzählung in mitreißenden, langen Sätzen, einem Sturm gleich, vor unser Auge und erobern unser Herz. Sie beschreiben den Kampf und sind Kampfansage. Ein Appell an unsere Augen und Gefühle, sich auf die Natur einzulassen. „Reiche der Natur die Hand und darin wird ein heißes schlagendes Herz aufkeimen“, ist nur einer ihrer Sätze, die man sich sofort als Merkspruch an die Haustür klemmen möchte. Kramberger gelingt es Aktivität, Authentizität und Literarizität mit nur einem Spatenstich zu erwischen.
Wie die Erzählerin stehen wir ratlos stehen wir vor Großmutters Weisheiten. „Der Hunger wird kommen, hör zu, was ich dir sage“ und kämpfen uns mit ihr durch dürren Jahre. Dann öffnet der Himmel seine Schleusen. Die Naturkatastrophe vom Sommer 23 ist apokalyptisch. Sieben Jahre, sieben Plagen. Kramberger findet Worte, die alle Bildberichterstattung dieses Sommer übertreffen und am Ende ihrer Erzählung muss man so herzhaft lachen, dass man es selbst kaum für möglich hält.
Lest es, lest es laut vor. So nehmen die Sätze noch mehr Fahrt auf. Es ist das eindringlichste und praxisnäheste Plädoyer für ein Handeln gegen den Klimawandel, dass ich je gelesen habe. Der alte Nussbaum auf Krambergers Hof ist durch den Klimawandel vertrocknet. Gemeinsam mit der Feuerwehr hat sie ihn umgelegt und seinen Stamm zersägt. Die hohlen Stammstücke sind in einen Kreis auf dem Hof gerollt. Ein Platz zum Sitzen am Feuer, unter Sternenhimmel. Ein Platz von dem aus die Geschichten dieses Hofes erzählt werden müssen.
Unserem Nussbaum begegne ich jetzt aufmerksamer. Ich grüße ihn am Morgen, seufze, und wünsche ihm noch ein langes Leben.
Lesesonntag: 500 Liter Erde und ein kleines Buch bewegt. Nach dieser Lektüre seht ihr die Natur mit anderen Augen. Ich grüße jetzt immer unseren Nussbaum im Hof und wünsche ihm ein langes Leben.
Mehr über die autobiografischen Erfahrungen der Autorin auf ihrem Bauernhof.