Ari ist lässig. Vertraut und eins mit ihrem Bord in der Darbietung schwieriger Stunts in der Halfpipe und unaufgeregt im Umgang mit lang vertrauten Freunden. Im Ort kennt man sich seit Kindertagen. Alles easy bis Tom, der Neue, die jugendliche Kleinstadtbühne im Skatepark rockt. Ari kann ihn gleich nicht leiden. Seine Coolness prallt an ihr ab, selbst wenn sie sein Können auf dem Bord fasziniert. Männlich, wie man es von so jemandem erwartet schmeißt er sich an die zuschauenden Mädels ran. Leyla wird die Glückliche sein, die ihn ergattert. Im Kern schreibt Rottmann nach ihrem Debüt von Mats & Milad erneut eine Liebesgeschichte mit Ecken und Kanten, in der es an Intensität für dieses nicht kalkulierbare Gefühl nicht mangelt.
Ari erzählt ihre Geschichte im Rückblick auf die letzten 14 Tage, in der Rottmanns Figuren täglich an Resonanzboden gewinnen. In ihrer Sprache vereinnahmt Ari die Lesende mit Schlagfertigkeit und Witz, mit denen sie einfach mitschwingen müssen. Von ihrem Vater, der Ari alleine großziehen musste, erfährt sie, welchen gewaltigen Unterschied er zwischen der passiv erfahren Magie des sich Verliebens und der aktiv gelebten Liebe sieht. Seine Worte sind keine luftleeren Floskeln, denn lange hat er Aris Mutter, die noch immer lernen muss ihr eigenes Leben auf die Reihe zu bekommen, mitgetragen. Auch ihre Mutter Ari immer bei sich. In ihrer kindlichen Leidenschaft zu Disneys Meerjungfrauenfilm hat sie für ihre Tochter diesen unmöglichen Vornamen ausgesucht, den selbstverständlich kaum jemand kennt.
Toms Lebenspäckchen ist ebensowenig leicht. Ohne von den Existentialisten zu wissen spürt er den Fluss des Lebens, der keinen wirklichen Anfang und kein Ende kennt. Er fühlt sich ins Leben hineingeworfen, und paddelt auf den zweiten Blick unbeholfen darin herum. Im Versuch sich freizuschwimmen wird er auf externe Hilfe angewiesen sein. Man darf sich also gerne wundern, mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit Ari diese, ihre Geschichte zu erzählen vermag. Im Kreise der jetzt in Berufsausbildung befindlichen Jugendgruppe winkt Milad herüber, der einer anderen Jugendgruppe im gleichen Ort angehört. Kurz vor dem Rand versteht sich nicht als Fortsetzung von Mats & Milad. Doch geben beide Bücher zusammen einen guten Einblick in die Dynamik von Jugendszenerien einer Kleinstadt, die Rottmann exzellent in Szene setzt.