Jesmeen Kaur Deo: Der beste Beweis bist du selbst, erschienen im Arctis Verlag
Schauplatz dieses Romans ist eine kanadische Highschool voll jugendlicher Dynamiken. TJ Powar ist eine selbstbewusste Gestalterin ihres Umfeldes und Freundeskreises. Sie ist Person of Colour, schön, eine Fußballerin und unschlagbar beim Debattieren. Mobbing wegen starker Körperbehaarung, so wie es ihre Cousine Simran erfährt, findet sie unfassbar ungerecht. Körperhaare haben doch fast alle. Auch Frauen. Aber wie oft sieht man sie mit Achselhaaren im Fernsehen? Wo sind die Beinhaare in Rasiererwerbungen?
Um ihrer Cousine zur Seite zu stehen, hört TJ mit ihren eigenen Enthaarungsprozeduren auf. Das müsste doch kein Problem sein, oder? Zwischen indischer Herkunft und Anpassung an westliche sowie weibliche Schönheitsideale startet sie ihre ganz persönliche Debatte. Denn ihre Entscheidung bringt ihr Leben mehr ins Wanken als gedacht.
In ihrem Debüt präsentiert Jesmeen Kaur Deo eine schonungslose, gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Genderrollen, Selbstwert, Eigen- und Fremdwahrnehmung. Sie verbindet die differenziert geführte Schönheitsdebatte mit einem phänomenalen Leseerlebnis, das ein Nachdenken befeuert. Meritxell Janina Piel ist hinsichtlich TJs Gefühlslebens eine lebendige Übersetzung gelungen.
TJ debattiert für ihr Leben gern. Zusammen mit ihrer Cousine Simran nimmt sie als Team immer wieder an Wettbewerben ihrer Schule teil. Doch nach ihrem letzten Sieg wird das Siegerfoto der beiden zu einem Meme, das sich über Simrans natürliche Behaarung lustig macht. Obwohl ihrer Cousine das anscheinend völlig egal ist, will TJ diese Aktion nicht loslassen und sie beschließt der Beweis ihrer eigenen Debatte zu sein:
“Kann TJ Powar ihr behaartes, wahres Ich zeigen und trotzdem schön sein?”. Also wirft sie all ihre Enthaarungsmittel weg und geht nicht mehr zum Waxing. Diese Entscheidung sorgt allerdings dafür, dass sich ihr Verhältnis zu vielen geliebten Personen ändert und sie muss nicht nur ihre Entscheidung vertreten sondern auch mit ihren Gefühlen kämpfen. Das Buch gibt einen guten Einblick in die schwere Welt mit der junge Mädchen konfrontiert werden. Etwas ganz natürliches wie Körperbehaarung wird von vielen alsabstoßend und unschön empfunden, nur weil es nicht dem Schönheitsideal entspricht. Genau das wird extrem realistisch durch TJ’s Perspektive, ihre mehrfachen Zweifel an ihrer Entscheidung und die Veränderung ihres Umfelds zu ihr geschildert. Japser & Leni 18 & 15 Jahre
»Natürlich würden wir das niemals laut sagen, aber wir alle wissen tief in unserem Innern, dass schön zu sein wichtiger ist als alles andere auf der Welt.« Tejindar Powar, genannt TJ, und Charlie Rosenkrantz sind im Abschlussjahrgang verschiedener Highschools und stehen als erbitterte Gegenpole auf der Bühne von Debattierwettkämpfen. Nun haben es beide auf die kanadischen Landesmeisterschaften geschafft und sollen in einem Team gegen andere streiten. Das Debattenthema in diesem Jahr lautet: „Ist innere Schönheit wichtiger als äußere?“
Inmitten offenkundiger Erwartungen, denen bei Enttäuschung die Mühlen des Mobbings folgen kann eine Geschichte schnell haarig werden. Der Schulsprecher Charlie neigt bei Erregung dazu, über seine Worte zu stolpern. Die aus einer indischen Familie stammende TJ ist stärker behaart, als das Rollenbild der Frau es vorsieht. Doch das weiß zu Beginn des Buches kaum jemand, denn selbstverständlich ist TJ, wie fast alle ihre weiblichen Verwandten, Kundin eines nahegelegenen Kosmetiksalons.
Ein typischer Adoleszenzroman der sich um Missverständnisse, Liebessehnsucht und die eigene Aktzeptanz dreht? Nein. Lesende lernen hier vor allem das Handwerkszeug der konstruktiven, verbalen Auseinandersetzung. Das Debattieren bietet viel Raum für diffenzierte Argumente und beleuchtet Standpunkte von allen Seiten. So bringt die Geschichte die schwierige Suche nach der eigenen Persönlichkeit ins Spiel und ist, weiter gegriffen, ein gelungener, lesenswerter Beitrag zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen und eigener Identität. Katrin Rüger