Eine Welt in der Mitleid eine Schwäche ist. In der das Gesetz des Stärkeren gilt. In der Helfen unter Strafe steht. In diesem dystopischen System wächst Yma auf. Sie und ihre Mutter sind nicht besonders reich, doch ihr Intellekt sichert Yma einen Platz an einer elitären Schule. Systemtreu hält sie sich an die strengen Gesetze und Regeln. Als sie ein einmaliges Angebot bekommt, das ihr eine Wohnung in einem der wohlhabendsten Stadtviertel sichert, nimmt sie dieses an. Doch sie fühlt sich fremd in dieser Welt der Superreichen, die die Regeln nicht nur hinnehmen sondern aktiv unterstützen. Vor allem nachdem sie Len kennenlernt, fängt sie an, die Gesetze zu hinterfragen und ihren eigenen Werten immer mehr zu vertrauen. Dieser gut dargestellte innere Konflikt zwischen ihren eigenen Ansichten und dem Gesetz zerreißt Yma immer mehr und wirft die Frage auf, wie weit eigenes Handeln gehen darf. Des Weiteren nimmt die Geschichte einen immer düsterer werdenden Ton an und verwandelt sich von der leichten Jugendgeschichte immer mehr in einen gesellschaftskritischen und erschreckend aktuellen Roman. Durch die leicht verständliche Sprache wird das komplexe Thema auch Jugendlichen anschaulich näher gebracht. Die Bücherfresser
Dystopien folgen im allgemeinen eigenen Regeln: Die Welt hat sich drastisch verändert, zwei Protagonisten treffen aufeinander, wobei der eine dem anderen die Augen über irgendwelche Ungerechtigkeiten am neuen Sytem öffnet und dadurch die Handlung in Gang bringt. Meist läuft es auf eine Rebellion oder ein Sturz des Systems hinaus. Auch die Autorin Voosen bedient sich dieser Spielregeln, mischt die Karten neu und heraus kommt dabei ein durchaus interessanter Bezug zu aktuellen Themen, die uns bewegen. So entwikelt die Autorin eine Welt, in der aufgrund der Überalterung und Überforderung unserer sozialen Systeme eine Weltenordnung entsteht, in der die Starken siegen und die Schwachen scheitern. Mitleid sowie Hilfeleistungen für Alte, sozial Schwache und Kranke sind unter Höchststrafe verboten. In einer Zeit, in der Mitgefühl dringend von Nöten ist, macht das Debüt der Autorin durchaus nachdenklich, wenn man hinter den Vorhang der dystopischen Handlung blickt. Marion Hübinger