„Aha“. „Soso“, sagt die Eselin Sarte. Ihre langen, spitzen Ohren stehen auf Empfang. Sie ist eine gute Zuhörerin und wahrlich ein kluges Tier, denn wir bemerken sofort, wie ihre Vorstellungskraft die zahlreichen Möglichkeiten abwägt, die in einer Geschichte stecken. Sie lauscht dem Zitronenfalter, der ihr von seinem wagemutigen Flug über die Alpen erzählt. Sein Gelb und mit ihm der Duft von Zitronen, umfließt die Eselin. Ein wenig störrisch, wie Esel so sind, reist Sarte lieber in ihren Gedanken. Und so tun wir es ihr nach und spüren wie kraftvoll und farbenprächtig die Macht der Geschichten ist.
Ein inniger Wunsch, mehr über den eigenen Namen zu erfahren, hat den zarten Zitronenfalter namens Büzanz aufbrechen lassen. Zusammen mit seinen Freunden, dem Maulwurf Rüffeldirk und der Feldmaus Mattjöh und seiner Angst im Gepäck. Sie alle sind Teil einer Geschichte, die sich zwei blaue Kröten erzählen. Ja richtig. Da sitzen zwei blaue Kröten im Gras. Eine von ihnen strickt einen Pullover, obwohl Kröten doch gar keine Pullover tragen. So ein Unsinn. So kommen sie darauf, sich doch besser Geschichten zu erzählen.
„Ich war ein Maulwurf", beginnt die erste Kröte. Wir Riffeldirk auf seiner Suche nach Freunden kennen und Mattjöh, einen wahren Cowboy unter den Feldmäusen, der eine Mäusin sucht. Als beide den Schmetterling aufgabeln informiert die Kröte ihre Zuhörerin: „Der Zitronenfalter, der warst du“ und schiebt ihr lässig die Erzählrolle zu.
Das von Anbeginn erzählende, menschliche Ich möchte auf der Wiese ein Buch lesen und ist sich der Unmöglichkeit seiner Beobachtung bewusst. Doch genau das ist es, was diese Geschichten und das Geschichten erzählen überhaupt so reizvoll macht. Was wären wir ohne unsere Fantasie, die in gewisser Absurdität die schönsten Utopien erblühen lassen. Spielerisch lotet Sundermeier den Spaß am Geschichten erfinden, den Blick des Erzählenden wie die Rolle der Zuhörenden aus. Dabei trägt unsere Vorstellungskraft das Erzählte über die Geschichte heraus. Sie ist eine Einladung zum Weiterspinnen.
Sundermeier, selbst Verleger vieler toller Geschichten, pflanzt vielleicht die allerschönste Erkenntnis in uns: Jeder und jede kann Geschichten erfinden und erzählen. Ihr Zauber sind der schönste Zeitvertreib. Für das Auge hat Kathrin Funke jeder Erzählebene einen farblich eigenen Charakter verliehen. Von der dunklen Unterwelt des Maulwurfs zum überirdischen Mäuseblick in Wald und Stadt, über die höchsten Berggipfel bei Sonnenaufgang bis hin zum Land, in dem die Zitronen blühen, dessen gelbe Strahlkraft mit dem Vorsatzpapier in leuchtendem Pink um unsere Gunst wetteifert. Darin eine Menagerie mit zauberhaften Namen, die man ins Herz schließt.
Ein kleines Kunstwerk in großem Format, für vollkommenes Vorleseglück in der ganzen Familie.