In einer Nacht

Das Leben ist nichts für Anfänger

von Stephan Knösel

Milberthofen, Oberhofer Platz. Hier treffen sich die Jungs des Viertels, Tree, Flipper, Alex und die anderen. Die meisten im besten Jugendalter. Eigentlich Kinder noch. Manche tragen ein Springmesser bei sich. Zum Selbstschutz.

Knösel schreibt temporeich und blutig. Dabei spüren wir in dem was hier passiert und Jugendlichen ihr Leben kosten kann, das Versehentliche, das nicht Durchdachte und die Verzweiflung der Beteiligten.

Flipper ist Trees Halbbruder. Seine Vater kennt er nicht. Er erreicht den aus zwei tiefen Stichwunden blutenden Tree gerade noch rechtzeitig und kann auf die Wunde drücken, bis die Notärzte übernehmen. Da das Krankenhauspersonal ihm keine weitere Begleitung gewährt, irrt er durch die Nacht, auf der Suche nach Einblicken in das Geschehene und dem Täter. Die emotionale Palette der jungen Figuren, die Knösel seinen Lesenden offenbart, ist weit umfangreicher, als es die anfängliche Wut vermuten lässt.

Im kleinen Handlungsraum zwischen Milbertshofen, dem Schwabinger Krankenhaus und der Parkstadt Schwabing wird die klare Zuordnung zur Täter- oder Opferrolle immer schwerer. Dafür entfalten sich Verzweiflung und fehlender Mut, geschwisterlicher Zusammenhalt und die Frage zu Freundschaft, der unbedingte Glauben an das Leben, aber vor allem Überforderung und Erschöpfung.

Ihr Leben selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen, davon sind Flipper, Alex, Tree und Ricki noch meilenweit entfernt. Die Polizei, vor der Flipper im Grunde nur weglaufen möchte, kann im Ernstfall hilfreich sein.

Das Leben ist eben nichts für Anfänger. Diesen Satz hört Flipper bei einer Begegnung mit einem alten Mann, der seit Wochen mit einer schweren Entscheidung ringt. Selbst die letzten erwachsenen Nebenfiguren fesseln unsere Aufmerksamkeit.

Trotz mancher cooler Sprüche hat Stephan Knösel ein ernsthaftes, die Gedanken bewegendes Buch geschrieben.