King geht unter. In einer Stadt, in der er kaum Geld zum Leben hat. In der sein Bruder Männern folgt und dann an die Straßenecke kotzt und ihn zusammenschlägt. Ein Bruder, der auch nur ein Kumpel, ein Leidensgenosse sein könnte. „Die Wellen“ heißt diese erste Geschichte in Haas Erzählband, in der Hamza sichtlich betrunken das Essen in Wellen herausbricht und King sich an die Wellen und die Gewalt des Meeres erinnert, die ihn noch immer schwanken lassen. Im überfüllten Boot mit anderen Geflüchteten. Doch die Flucht über das Meer liegt am Ende dieser Geschichte, die ebenso einem chronologischen Ablauf folgen könnte. Wo liegt das heute? Wo das gestern? Kings Bewusstsein liegt auf der Straße, die sich aufbäumt oder tief unter der Meeresoberfläche.
Haas lässt vieles offen. Er nimmt uns mit zu jungen Teenagern an die Bushaltestelle ihres Dorfes und lässt uns an ihrem nüchternen Gespräch über die Planung von Selbstmorden teilhaben oder führt uns in das Schlafzimmer eines langverheirateten Paars, das in ritueller Akribie ein Jahr lang nächtens das Liebesleben ihres Nachbarn verfolgt. Haas überlässt Lesende seine sparsam erzählten Beobachtungsfetzen, welche die Sprachlosigkeit von Menschen spiegeln und nur in der Tiefe des Unergründlichen Emotionen erahnen lassen. Allen Geschichten haftet eine verstörende Art voyeuristischer Einsamkeit im gemeinsamen Leben an, in denen man der dunklen Rätselhaftigkeit menschlichen Seins nachspüren kann.