In den hier versammelten 18 Lebensgeschichten von Frauen lassen uns Bölck und Veth mitfiebern und staunen, nicht zuletzt da diese Frauen Vorreiterinnen sind, die uns ihren neugierigen und offenen Umgang mit dem Fremden und der Fremde vermitteln.
In ihren Aufbrüchen, die bis auf einige frühe Ausnahmen in der ersten Hälfe des 20. Jahrhundert stattfinden, schwingt mal die Abenteuerlust, die Wissbegier, die Kunst- und Kulturleidenschaft oder der Drang nach Unabhängigkeit, die Flucht, die Mission oder einfach nur der Zufall als Ehefrau an der Seite eines ins Ausland berufenen Mannes zu stehen mit.
Die sich im 20. Jahrhundert zeitgeschichtlich und politisch ständig verändernde Lage zwischen Europa, China und Japan spielt für alle Lebenswege eine Rolle. Zur Orientierung haben die Autorinnen eine gut erläuternden Anhang hinzugefügt, der ganz nebenbei auch unser europäisch geprägtes Sichtfeld weitet.
Sie lassen die Porträtierten, die auch Schriftstellerinnen waren, zu Wort kommen. Bölck und Veth setzen ihre Sichtweisen in den Bezug ihrer Zeit, zum Beispiel bei jenen Frauen, die zu Beginn des Jahrhunderts im Rahmen der deutschen Kolonialpolitik nach Quingdao kommen. Um so erstaunter blicken wir auf die kosmopolitischen und visionären Stimmen, die Vermittlungsversuche zur Annäherung der Kulturen wagen. Der Mut und die Aufgeschlossenheit zum Aufbruch in eine ungewisse Zukunft, die diese Frauen mit einer für heutige Verhältnisse zahlreichen Kinderschar meistern, beeindruckt mich. So Elise Troschel, die zunächst als eine der ersten Frauen und hier schon Mutter zweier Kinder 1899 die Promotion in Medizin erlangt während sie ihr drittes Kind bekommt. In Quingdao, wohin sie ihrem Mann, einem Hafenbaumeister, folgt sind es schon vier, denen noch zwei weitere Kinder folgen, während sie unabhängig als Ärztin arbeitet.
Leidenschaftlich und ohne Berührungsängste packen diese Frauen Neues an. Für Jahre, Jahrzehnte oder ein ganzes Leben. Sie lernen zu ihren mitgebrachten Sprachen chinesisch, japanisch und russisch. Sie schreiben das Erlebte auf, dokumentieren und werben für Verständnis, werden wie die Journalistin Lily Abegg zum „Vorbild antikolonialistischen Denkens“ oder wie Frieda Fischer zur Museumsgründerin.
Die vielleicht schillerndste, politische Lebensgeschichte steuert Eva Siao (1911-2001) bei, die in den 30er Jahren im Studium russisch lernt und 1935 in Moskau den Schriftsteller Emi Siao, einen Weggefährten Mao Zedongs heiratet. Mit sowjetischer Staatsbürgerschaft folgt sie ihm nach China, trennt sich und zieht in Kasachstan alleine ihre Söhne groß bis sie Siao in Moskau wiedersieht und erneut mit ihm nach China geht. Im Verdacht eine Spionin zu sein werden beide im Zuge der Kulturrevolution verhaftet und sitzen sieben Jahre im Gefängnis. Als Fotografin und Berichterstatterin arbeitet sie für die DDR und die Sowjetunion. Pu Yi, den letzten Kaiser von China, trifft sie1958 und fotografiert ihn in seinem Garten. China bleibt bis zu ihrem Lebensende ihre Wahlheimat, dessen Staatbürgerschaft sie annimmt.
Reichlich bebildert eröffnen die Fotos den Blick auf agierende Personen wie ihre Lebensräume, die Städte Quingdao, Peking und Shanghai. Sie orchestrieren das zeitgeschichtliche Gesamtbild dieser faszinierenden und unbedingt lesenswerten Frauenbiografien aufs Feinste.