Freiheitsliebend, mutig und spontan erleben wir die junge Tschechin Eliška Bartek in diesem Roman, wenn sie für sich und für ihr Leben Entscheidungen trifft. Schon der Auftakt ist furios. Dem Suizid knapp von der Schippe gesprungen beschließt die Zwanzigjährige, sich dem Kofferraum eines älteren Herren aus Donauwörth anzuvertrauen und aus dem Sozialismus in den Westen zu flüchten.
In klarer, schnörkelloser Sprache lässt Bartek mühelos den Korken knallen und katapultiert Eliška aus ihrem vertraut sozialistischen Leben ins Bayern der 70er Jahre. Schnell wird ihr klar, für das versprochene Liebchen am Herd hat sie ihr Leben nicht aufs Spiel gesetzt. Die Sprachhürden ignorierend beginnt sie in Augsburg eine Ausbildung zur Arzthelferin. Die Trennung von Rainer, ihrem Fluchthelfer, lässt nicht lange auf sich warten. Selbstschutz und Fiasko, wir ahnen es von Anbeginn, werden zum ersten Mal gemeinsam glühen, als sich Rainer kurz darauf das Leben nimmt.
Der nächste Mann wird Eliška nach Zürich führen. Eine neue Staatsangehörigkeit ermöglicht ihr nach acht Jahren ein Wiedersehen mit der Familie. Gerade in diesen Momenten Wiedersehens spüren wir Eliškas Distanz, ihr Leben ohne Netz und doppelten Boden, ihre Existenz, der ein überwindbares Alleinsein innewohnt. Männer hat Eliska genügend an der Hand. Eher zu viel als zu wenig und doch niemals entspringt daraus eine starke Bindung oder Geborgenheit. Die rastlose Suche mit unbekanntem Ziel ist eine Leerstelle, die in unseren Gedanken schäumt.
Eliška ist eine Kämpferin. Energiegeladen unablässig in Bewegung. Der starken Frauenfigur fliegt unser Herz zu und wir lesen uns durch ihren Lebenswirbel von einem Mann zum Nächsten, über alle dramatischen Lebenswendungen hinweg, die Eliška wie durch einen Zauber stärker und stärker werden lassen, obwohl ihre Erfahrungen nicht nur einmal jenseits der Schmerzsgrenze liegen. Für den Namen ihrer Hauptfigur wählt die Autorin, die heute im Tessin und in Berlin lebt und für ihre künstlerischen Arbeiten international Anerkennung findet, ihren eigenen. Das Open End der Geschichte füllen wir ungefragt mit einem versöhnlichen Ende.
Der rasant komponierte Roman mit seiner raumgreifenden Stimme ist ein Kunstwerk von atemraubender Strahlkraft, dessen Farben im ständigen Widerstreit liegen. Das Leben eben, wenn man es, wie Eliška, bei den Hörnern packt.
Da kennst du dein Lieblingsbuch in- und auswendig und dann kommt die Autorin hereinspaziert, liest ihren Text in einem ihr ganz eigenem Rhythmus, Feuer und Timbre und du hast das Gefühl, vor deinen Augen entsteht gerade ein ganz neues Buch.
Am 1. Mai 1972 ist Eliška Bartek in den Kofferraum eines Mercedes gestiegen, um aus der Tschecheslowakei zu flüchten. Der Roman ihrer Memories, dem es an Dramatik, genauer Beobachtungsgabe und Witz nicht fehlt, hat sie in feinfühliger Zusammenarbeit mit Michael Maar in Literatur gegossen.
Im Rückblick über den Dingen schwebend haben wir uns unverhofft gebogen vor Lachen. So kann es sein, das Leben, wenn man es auskostet wie Champagner. Ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte, ein wahrer Palastschatz und eine Lesung mit Herzblut.
Ihr sollt Tomaten pflanzen und könnt nicht aufhören zu lesen. Ein Pageturner, ein Suchtbuch, eine unglaubliche Geschichte.