Herrn Wonnebuloff hat Wolfo in einem italienischen Straßencafé mitten in Berlin kennengelernt. Er könnte sein Großvater sein. Der ältere Herr hält an der Universität Vorträge über Komik und interessiert sich für Wolfos Statistenrolle am Theater. Wolfo ist das mehr als unangenehm, denn auf die Bühne ist der Student der Soziologie und Neuberliner auf seiner Jobsuche durch ein Versehen geraten. Vom Theater hat er keinen blassen Schimmer, ebenso wie von der Oper und all den offenen, gut besuchten Kleinkunstbühnen der Stadt, auf denen von Satire über Parodie bis Nonsens alles geboten wird.
Wolfo flaniert gern. Er schaut sich um. Als neutraler Beobachter hinterfragt er das darstellerische Spiel unserer Spezies. Er ist ein guter Gedankenspieler der Möglichkeiten. Ein fantasievoller Sprachspieler. So inspizieren wir mit ihm die Großstadt Berlin im Jahr 2003, den Schmelztiegel von Kultur, Politik und menschlichen Beziehungen, das Nebeneinander von studentischer Agitation und Promipomp, bei der über alle Schichten hinweg nur eine Prämisse gilt: Entscheide dich, wohin du gehörst.
Wolfo verweigert sich dieser Kategorisierung. Bloß nix Festes! Er bleibt experimentierfreudig und szenisch souverän. Sein spontaner Rolleneinsatz als Unerfahrener sorgt für gewitzte Stolpersteine. Das hat er richtig gut drauf. Und in Herrn Wonnebuloff, alias Vicco von Bülow, hat er seinen Meister gefunden. Tillmann Birr ist ein komödiantisches Tête-à-Tête gelungen, ein rauschendes Zeitbild, eine vergnügliche Satire auf den Theaterbetrieb. Er hat Loriots Dialoge zum Vorbild genommen und weitergesponnen. Seine Szenen sind großes Kino. Lachhaft und ernsthaft zugleich. Die Komik lebt. Habt Spaß!
Satyr steht für Satire. Das ist so richtig, wie es falsch ist. Mit diesem Widerspruch lebe ich, seit ich Satyr führe. Dass sich unser Gattungsbegriff kaum auf die mythologischen Satyren zurückführen lässt, ist wohl nur der Unkenntnis meiner Vorgänger geschuldet, wie uns Kabarettaltmeister Martin Buchholz kürzlich in „Männer, Macht und Mythen“ süffisant erklärte. Gegründet in einem Comedynetzwerk, stellte man dort bald fest, dass sich mit Comedy doch besser Geld verdienen lässt als mit einem Buchverlag. Zeitgleich begriff ich, dass mir die Satire mehr liegt als die Comedybühne. So kam ich 2011 zu einem Verlag. Seither verlege ich als schreibender Verleger oder verlegender Autor (je nach Sichtweise und Tagesform) 8 bis 10 Bücher pro Jahr. Und schreibe ab und zu ein eigenes, zuletzt ein Jugendbuch. Satyr ist ein Verlag für „Bühnenliteratur“, denn wer hier veröffentlicht, kommt von der Bühne oder hält sich oft dort auf: Lesebühne, Poetry-Slams, Kabarettbrettl. Wer diese Schule durchlaufen hat, wirft all sein humoristisches Gespür auch in die Prosa (siehe Tilman Birrs Roman Wie sind Sie hier reingekommen?).
Manchmal frustriert es mich, dass im Lande Kurt Tucholskys, dessen „Was darf Satire? Alles.“ zu den meistzitierten Sätzen aller Zeiten gehört, „mein“ Genre vom Literaturbetrieb oft so geringgeschätzt wird. Dabei ist das Lachen die freieste Äußerung, die wir haben. In Zeiten wie unseren ist Humor vielleicht unsere einzige Chance und Satire eine gute Waffe. Es ist kein Zufall, dass die, die verspotten, immer zu den ersten Opfern der Despoten gehören. Denn Lachen lässt sich nicht kontrollieren, es ist die freieste Äußerung, die wir haben. Volker Surmann