Hoback nimmt uns mit in Maras persönliche Black Box, gefüllt mit Hirngespinsten und Nichtwahrhaftigkeiten, Träumen und falsche Hoffnungen. Vor allem aber beherrscht von Erwartungen, die Mara meint, sogar im Schlaf noch bedienen zu müssen. Sie beherrschen Maras sozialen Kontakte, ihr Denken, ihr Leben. Mara ist sich der alltäglichen Suggestionen durchaus bewusst. Verzweifelt macht sie sich auf die tragikomische Suche nach Authentizität und Respekt.
Ohne Schulabschluss und ohne Arbeit begleiten wir die junge Frau auf das Arbeitsamt. Mara hat ihre Tricks, die Sozialpädagogin von ihrer Bedürftigkeit zu überzeugen. Vorübergehend hat sie sich damit abgefunden, am unteren Ende der gesellschaftlichen Klassen zu rangieren.
Ihre Zeit verbringt Mara auf social media Kanälen. Influencerin möchte sie werden. In ihren Posts schafft sie ein Bild von sich, wie alle anderen auch. Dann begegnet sie Hanno, ein Literaturagent, der ihr die Autorenschaft an einem fremden Text anbietet. Mara rutscht in eine Bubble, in eine andere gesellschaftliche Klasse, mit der sie bisher keine Berührung hatte. Die sie, zum Vergnügen der Lesenden, aber zu nehmen weiß. Fotoshootings, Interviews, Lesungen, Smalltalks, Fernsehauftritte. Ein Newcommer Preis winkt.
Diese Rolle ist noch fälscher, wie alles anderen. Geht das überhaupt? Eine Steigerung des social media Spiels? In Bezug auf die zwei Welten, die echte und die gespielte, die reale und die virtuelle, ist Mara felsenfest davon überzeugt, das virtuelle Chats, ausgedruckt und nachgelesen, echter sind als alles anderes. Eine steile These, der Hoback mit ihren Einblicken in den Literaturbetrieb nahe am Abgrund, eine bedenkenswerte Möglichkeit einräumt.
Zwischen Maras Schauspielkünsten strotz der Roman vor Wirklichkeit. Schrill, ungewollt und kaum ertragbar bricht sie in Maras Fiktionen. Die Gerüche von Putzmitteln oder Plaque, Mohnkörner zwischen den Zähnen. Die Mehlmotten in Mutters Vorratsschrank. Das Erbrochene ihrers Katers, in das sie gerade hineingestapft ist. Mara ist eine hochsensible Beobachterin.
Wir werden Zeugen, wie die Fäden, die Hoback mit großer Kunstfertigkeit über gesellschaftliche, psychologische und philosophische Ebenen spinnt, sich um Mara zusammenziehen. Wir fiebern, wie hoffen, wir staunen, was gleichzeitig möglich scheint. Oder doch nicht? Schrödingers Kater wird sterben, aber Schrödingers Grrl lebt. Ein überzeugende Lebensstudie, eine sensible, mitreißende Momentaufnahme eines Lebens in zwei Welten. Ein Coming of Age, das sogar in der Black Box den Punkt findet. Ich bin begeistert.