Omas Wellensittich in einem kleinen Käfig oder Menschen, von einer Mauer einsperrt, in Gerdas Kindheit war das normal. Dank der Betreuung durch ihre Oma musste Gerda die Nachmittage nicht im Kindergarten oder Hort verbringen. Sie war ein "Mittagskind". Coco, Omas zahmer, sprechender Wellensittich gefällt auch Gerda. Ihm folgen Flippie, Ricki und Monty. Den von ihrem Papa eingefangen Ara übergeben sie dem Tierpark. Sein Bedarf an frischem Obst und Nüssen bereitet in der DDR Schwierigkeiten. Bestimmt ist er aus dem Westen vermutet Gerda. Er kann über die Mauer fliegen. Rickie macht sich in einem unachtsamen Moment bei offenem Fenster in die andere Richtung auf. Auch Oma darf in den Westen. Gerda schickt sie auf Shoppingtour, denn die begehrenswerten Dinge kamen immer aus dem Westen.
Gerda Raidt erzählt mit zartem Humor und Augenzwinkern für Kinder gut nachvollziehbar von einer vergangenen Zeit. Ihre Zeichnungen mit einem Stich ins Cremefarbene wirken Retro, wie das gesamte Buch, passend zur Zeit. Ergänzt durch sparsam gesetzte Worte fangen sie ihr Kinderleben in Ostberlin auf den Punkt ein. Am Ende des Buches blättert sie in ihrem Fotoalbum sogar noch eine weitere Generation zurück.
Gerda muss die Flugblätter für die Suche nach Rickie mit Filzstiften zigmal von Hand zeichnen. Sie lebt in einer Welt ohne Kopiergerät. Ihr Papa, der als Kind auf einem der Fotos mit den gezackten Rändern zu sehen ist, teilt sein Brot mit einem schwarzweißen Wellensittich. Farbfotos gab es nicht. Vor dem Krieg auf der Flucht, musste ihr Papa den Vogel zurücklassen, so wie Gerdas Freundin Ida 40 Jahre später ihren Monty bei ihrer Flucht aus der DDR.
Es ist sehr beeindruckend, wie Gerda Raidt für ihr stimmiges Zeitbild kaum mehr, als ein paar Vögel braucht. Hier spiegelt sie die gesamte Klaviatur ihrer eingesperrten DDR Kindheit, über Flucht bis Freiheit. Eine Ringeltaube und ein paar weiße Friedenstauben aus Papier, die die Kinder in der Schule basteln mit eingeschlossen. Wenn ihr mehr darüber wissen wollt, wie man als Kind in einem der beiden deutschen Staaten damals lebte, fragt Eure Oma, rät Gerda Raidt. Oder lest einfach auch zweite Buch aus der Reihe „Kinder von früher.“ Darin erzählt Daniela Kulot von ihrer Kindheit im Westen.
Mit ihrem Bruder Woffe ist „Baby“ ein starkes Team. Er ist zweieinhalb Jahre älter und zweieinhalb Jahre klüger. Und Woffe hat es faustdick hinter den Ohren, Unfug vorprogrammiert.