„Da bin ich“, sagte die Urgroßmutter, die in der Familie die Hosen anhatte und so massig war, dass Oma immer in der Mehrzahl von ihr sprach.
„Da bin ich“ ist ein schönes Motto für Krambergers Roman.
Ohne lange zu überlegen kauft die in Berlin lebende Journalistin ihrer Mutter den Hof ab und kehrt in ihr slowenisches Heimatdorf zurück. Nun besitzt sie ein verfallenes Bauernhaus, einen leeren Stall, von wilden Brombeeren überwucherte Streuobstwiesen, einen ausgelaugten Acker, ein Stück Wald und eine Leiter. Nicht ganz funktionsfähig, wie sich herausstellen wird.
Mit viel Improvisationsgeist, Nachbarschaftshilfe beginnt sie zu pflanzen: Gerste, Weinreben, Pflaumenbäumchen. Oma schüttelt den Kopf. „Der Hunger wird kommen“, ist nur eine ihrer Weisheiten, die man nicht für wahr halten aber auch nicht ignorieren sollte.
Kramberger ist eine begnadete Geschichtenerzählerin. Die Kapitel folgen dem Jahreslauf. Von Oktober bis September erzählt sie vom Landwirtschaften und spannt ihre Fäden, über die Monate verknüpft und verknotet, zu einem wundersamen Netz. Es gibt der Junglandwirtin Halt und Kraft. Wir sitzen mit ihr im Wirtshaus, am Feuer unter dem Nussbaum oder am Feldrain im Schatten und folgen gebannt ihrem Aufbruch, ihren Assoziationen, ihren Zeitsprüngen, ihren prägenden Kindheitserinnerungen, ihrer Verzweiflung und ihrem Glück. Wir leben ihren körperlichen bis zur Erschöpfung reichenden Einsatz und leiden mit ihren Misserfolgen. Wir werden vom Wetter aus der Bahn geworfen und erleben die Dürren, Kälteeinbrüche und Überschwemmungen so hautnah wie selten. Wir lachen in verzweifeltem Witz im Kampf mit den Absurditäten der Bürokratie. Auch das noch, während das Klapotetz, ein Windrad, sich gerade im Sturm losgerissen hat und wie wildgeworden ohrenbetäubend klappert.
Mit Krambergers ökologischen Ambitionen bringen die Wühlmäuse die Reben zu Fall, beim zweiten Mal holt sie der Frost und statt Gerste wachsen Disteln auf dem Feld, bei denen es Unglück bringt, sollte man sie ausgerechnet am Karfreitag ausreißen wollen. Zeiten des verzweifelten Wartens auf Regen wechseln sich mit Arbeitsglück, wenn Aufbewahrungskisten für Getreide aus Fichtenholz gehobelt werden und der Gedanke an das duftende, selbstgebackene Brot in der Luft schwingt.
Ein intensiver, physischer Text, dem wir uns nicht entziehen können. Zum Mitleben und Mitleiden. Das Überleben hängt nicht zuletzt vom ganzen Ausmaß der Wettergeschehnisse ab. Dieses Schicksal brennt sich in die Augen und den Verstand. All das, was durch den Klimawandel für uns alle auf dem Spiel steht, bekommt einen Lebensanker.
Der Besitz und Betrieb eines Bauernhofes ist kein Spaziergang. In dieser literarischen Form jedoch, ist es ein Gedicht.
Unserem Nussbaum im Hof hatte ich bis zu dieser Lektüre nicht viel Aufmerksamkeit beigemessen. Die in Berlin und Slowenien lebende Autorin Nataša Kramberger erzählt autobiografisch von sieben prophetischen Jahren auf ihrem Bauernhof.