Wir begleiten das Transmädchen Alex bei ihrem schulischen Neuanfang. Ihre verständnisvollen Eltern sind aus den USA nach Europa zurückgekehrt. Alle hoffen, dass Alex es hier leichter haben wird, wo weniger Menschen von ihrer Transsexualität wissen. Das möge sie vor ausgrenzenden Situationen und emotionalen Krisensituationen bewahren. Der Preis für dieses Versteckspiel ist die Angst, entdeckt zu werden. So trägt Alex das schwerwiegende Geheimnis des Jungenkörpers unter der Mädchenkleidung mit sich herum. Beim Schwimmunterricht schaut sie zu, da sie nicht weiß, wie sie sich umziehen soll.
Der Text meint es gut. Er wechselt von kindlichem Ton über innere Gefühle, Gedanken, Wünsche und Hoffnungen zu äußeren Einschätzungen aus erwachsener Sicht, zu Stolpersteinen und Ängsten in einer Gesellschaft, in der die Aktzeptanz transsexueller Kinder noch in den Kinderschuhen steckt. Alex besucht die 6. Klasse in der die Geschlechter gerade weitgehend nebeneinander und nicht miteinander existieren. Der einfacher Satz eines Lehrers: „Alex Mädchen oder Alex Junge?“ bringt hier eine ganze Lawine ins Rollen. Warum hat der Autor diesen doppeldeutigen Namen gewählt, im Original Camille, wo für Alex ganz klar ist: Sie ist ein Mädchen. Ein Stolperstein, der Gesprächsanlass geben soll? Auch mit der Form des klassischen Bilderbuches setzt sich das Buch für 8-12 jährige zwischen alle Stühle. In seinen Illustrationen reiben sich die comichaft überzeichneten Augen mit asiatischen Anschein mit dem sonst so realistsch gezeichneten, europäischen Umfeld. Könnte diese künstlerischen Diskrepanzen Konzept dieses Buches sein?
Bis zu ihrer Transition wird Alex auf offenherzige und einfühlsame Menschen angewiesen sein, so wie es ihre Eltern wunderbar warmherzig vormachen. Das spürt man auf allen Seiten. Auch ihre neue Freundin Zoe könnte bald zu ihren engen Verbündeten zählen. Denkt man an George von Alex Gino, Der Katze ist es ganz egal von Franz Orghandl oder Mein Bruder heißt Jessica von John Boyne, an Mein Schatten ist pink! von Scott Stuart oder Julian ist eine Meerjungfrau von Jessica Love zeichnet sich in mehr oder weniger aufklärerischem Stil ein immer größerer, mutiger Zulauf und Variantenreichtum für LGBTIQA+ Randgruppen ab. Allein das ist auf jeden Fall ein Anlass zu Freude.