Zum 100. Geburtstag veröffentliche Hanuschek seine umfangreiche Kästner Biografie, die nun, zum 125. Geburtstag, in überarbeiteter und ergänzter Version in Neuauflage vorliegt. Was für ein Mensch war Erich Kästner? Hanuschek bleibt zurückhaltend und lässt Kästners Werk sprechen. Seine klare, bildmächtige und reiche Sprache erschließt sich jedem. Allem voran die Kinderbücher und entwaffnenden Sinnsprüche: „Es gibt nichts gutes. Außer, man tut es.“
Doch Erich Kästner, von Lesenden aller Altersgruppen geliebt und heute noch präsent wie kaum ein anderer Schriftsteller, offenbart sich über sein Werk weniger als man denkt. Der Satiriker, politische Autor, Lyriker, Bühnenautor, Drehbuchschreiber, Journalist und Redakteur und Romanschriftsteller pflegte das Image eines Moralisten. Dahinter verbarg sich ein zurückhaltender, charmanter Mensch, dem die Frauen zuflogen. Ein Mann, der von sich behauptete wenig im Leben zu brauchen, ein Wandervogel, der in Cafés und Bars lebte, und von Hotelzimmern aus seine Verträge schloss.
Die ersten Erfolge erschrieb sich Kästner in der Weimarer Republik. Dann sah er der Verbrennung seiner Bücher zu. Als verbotener Autor blieb er in Deutschland. Er überlebte, da er sich nie offen dem System widersetzte. Er hoffte als Zeitzeuge später über diese Zeit schreiben zu können, doch er fand für einen Roman nicht die passende Sprache.
In München leitete er nach dem Krieg das Feuilleton der Neuen Zeitung, in der die Texte vieler emigrierter Kollegen erschienen. Sein kollegiales Engagement galt auch dem P.E.N. Als Pazifist und Antimilitarist erhob er nun seine Stimme gegen Krieg und atomare Aufrüstung. Das umfangreiche Material welches Kästner in Zeitungsbeiträgen und Briefen neben seinem Werk verschriftet hat, trägt Hanuschek in dieser Biografie zusammen. Ebenso Kästners Kontakte und Vernetzungen in die Welt der Kultur. Seiner Person begegnet er mit Vorsicht und enthält sich jeder Deutung. Bis auf wenige Ausnahmen lässt er fast ausschließlich Kästner selbst über sich reflektieren.
Hanuschek überlässt es den Lesenden, sich dem Menschen hinter den Texten und Geschichten anzunähern. Mein Eindruck: Kästner war ein verschlossener Mann, der jede Lebenslage elegant mit Worten zu umspielen vermochte, Konflikten aus dem Weg ging, und, eventuell doch, wer könnte ihm das verübeln, zu Melancholie und Resignation neigte.