Von einer Clique Halbstarker lesen, ist anstrengend. Saufend, rauchend und kiffend hängen diese Kommunikationsneandertaler in ihrer siffigen Bude ab. Außerhalb schlägern sie herum und messen sich in Mutproben fürs Adrenalin und den Kick des Lebens. So auch Engel, Timo, Jarno und der Erzähler Sascha. Leipziger Jungs in der Zeit nach der Wende, wo auch Herwig seine Jugendzeit verbrachte. Seine Geschichte beginnt auf einem Friedhof, am Grab von Saschas Vater, der, durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen, seit Saschas Kindertagen hier begraben liegt. Taktisch und emotional hat Sascha diese Tatsache in ein Vakuum geschlossen. Seine Mutter hat einen Neuanfang gewagt und ist gescheitert. Nun sorgt sie mit unzähligen Überstunden alleinerziehend für Sascha und seine kleine Halbschwester Jacky, um die Sascha sich zuverlässig kümmert. Saschas Leben zwischen Clique und Familie gleicht einem Balanceakt, dessen Kräfte uns schnell in einen Strudel reißen, in Schein und Sein, Vergessen und Erinnern, der Suche nach Freundschaft, Verantwortung und Vergebung und wie man es anstellt, sich dem Leben zu stellen. Nicht zuletzt wird Marcel, der Neue in der Klasse, Saschas bisheriges Leben wie eine Bombe in die Luft jagen. Die dichte, auf allen Ebenen genau fokussierte Erzählstruktur, in der in Haupt- und Nebenrollen unglaublich lebendig ausgestaltete Charaktere lauern, zeigen Herwigs erzählerisches Potential, der mit „Halbe Löwen“ seinen dritten Jugendroman vorlegt. Selbst Marcel, dessen Auftritt im Roman keine 30 Seiten einnimmt, wird unsere Gedanken nicht mehr loslassen. Herwig gelingt auf der Basis eines vertrauten Jugendbuchsettings eine erstaunlich sensible, lässige Reise zu großen Lebensfragen, die Sascha in sich aufzunehmen beginnt. Glaubwürdig und authentisch kickt sich Sascha aus seinem eigenen Lebensvakuum, als wäre auch das eben kein Ding.