1Ihr erstes Buch war ein Krimi. Heute schreiben Sie Jugendsachbücher. Wie kam es dazu?
Es war eine Idee meines Agenten. Er sagte: oh, Journalist? Jugendsachbuch! Für Jugendliche verständlich zu schreiben, ist für mich kaum anders als das Schreiben eines guten Radiotextes. Ich schreibe immer unter der Prämisse: Radio kannst du nicht zurückblättern.
2Als Journalist haben Sie den Leitsatz komplizierte Sachverhalte anderen weniger kompliziert erklären zu wollen. Fordern Jugendliche mehr als das?
Ich glaube, sie fordern auch etwas Unterhaltsames. In meiner Vorstellung legt ein Jugendlicher ein Buch spätestens nach der zweiten trockenen Seite weg.
3Deswegen zünden Sie für ihre Leser ein Feuerwerk von Einstiegsmöglichkeiten? Spielt ein guter Start für Sie eine wichtige Rolle?
Ganz stark. Ich versuche die Bücher zu schreiben, die ich als Jugendlicher gerne gelesen hätte. Dafür versuche ich mich in die Ungeduld und Neugier hineinzuversetzen, die ich Jugendlichen unterstelle.
4Bei Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg erzeugen Sie Nähe durch eigene Betroffenheit. Das alle faszinierende Objekt ist ein Granatkopf, den ihr Großvater aus dem Krieg mitbrachte.
Wenn ich mich zurückversetze in das Kind, das dieses Ding in die Hand genommen hat und dachte: Boah! Das ist das Ding, was dem Opa das Bein abgeschossen hat, war diese Granate der erste mich interessierende Zugang zum Krieg. Dass meine Vermutung so gar nicht stimmte, eröffnet eine zweite interessante Annäherung an das Thema. Diese Granate ist eine andere, eine, die mein Opa einfach auf dem Schlachtfeld aufgeklaubt hatte.
5Bei Lesungen haben Sie den Granatkopf immer dabei.
Etwas anfassen zu können, funktioniert gerade bei Jungs total gut. Dabei fangen sie an zu überlegen und zu spekulieren. Anfassen ist für den Zugang zu Sachthemen ganz wichtig. Was sehe, was fühle, was rieche, was schmecke ich?
6Die Jugendlichen nominierten Kriegszeiten, eine Graphic Novel über den Afghanistankrieg und beklagten, dass auch aktuelle Kriege zu wenig anschaulich thematisiert werden.
Wenn man sich über den Afghanistankrieg oder über alles, was auf dieser Welt passiert, informieren möchte, gibt es genügend Bücher, Zeitschriften und Internettexte. Nur zu finden, was einen packt, das ist das Schwierige. Dazu muss man erst einmal suchen. Ich spreche mit Jugendlichen an Schulen über das Riesenproblem, in der Menge möglicher Texte das Richtige für sich zu finden. Das ist schwer, heißt aber nicht, dass es das nicht gibt.
7Einmal die Neugier geweckt, wollen Jugendliche immer alles ganz genau wissen. Gibt es für Sie Grenzen bei der Darstellung von Krieg?
Das Bild einer scheußlichen Verletzung aus dem ersten Weltkrieg hat der Verlag im Einvernehmen mit mir rausgenommen. Das Buch nehmen vielleicht auch Kinder allein in die Hand. In meinen Lesungen für Jugendliche zeige ich das Bild immer, um klar zu machen: So sieht Krieg aus. Wenn einem der Unterkiefer weggeschossen wird, schaut das heute noch genauso aus wie vor 100 Jahren.
8Gibt es für Sie eine Altersuntergrenze für ein ehrliches Gespräch über Krieg?
Bomben fallen auf Häuser, in denen sich sechsjährige Kinder befinden. Bomben töten die Väter von Vierjährigen. Warum sollte man Zehnjährigen nicht, ohne sie in Watte zu packen, deutlich machen können, was das bedeutet?
9Was sagen die Kinder?
Eine Testleserin hat mal gesagt, der Satz „Das Gas zerfrisst ihm die Lungen“ ist aber scheußlich. Da habe ich geantwortet: Ja, das ist scheußlich. Deswegen muss man das auch scheußlich beschreiben.