Gelb. Rot. Blau. Klarheit ist ein großes Gebot dieses Buches. Die Seiten hat Maria Zimmermann in Grundfarben getaucht, die sich auf Doppelseiten und Themenblöcken gleichberechtigt abwechseln. Die Schriftblöcke mal schwarz mal grundfarbig gestaltet sie ebenso klar. Dem Mädchen mit Zöpfen begegnen wir auf fast jeder Seite. Ihr folgen wir in ihrer Wahrnehmung. Maria Zimmermann erzählt von sich selbst. Sie ist ein Mensch im Autistischen Spektrum. Für sie ist das eine hilfreiche Entdeckung und keine Diagnose. Die sensible Wortwahl und ihr achtsames Erzählen macht uns neugierig und nimmt uns vollkommen gefangen.
Die Angst vor gesellschaftlicher Ablehnung und die Scham bringt Menschen wie sie schon früh in eine beständige Maskierung. Unzähligen Schichten haben ihr Leben begeleitet und werden es zunächst auch weiter tun. „Es fällt mir nicht leicht, mein autistisches Selbst zu sein“, sagt sie, obwohl sie jetzt offen über diese Entdeckung spricht.
Gerade Frauen, Maria war fast 30, finden erst spät eine Zuordnung für ihr Sein. Menschen im Autistischen Spektrum müssen achtsam mit der ihnen zur Verfügung stehenden Energie umgehen. Wir reisen in eine Welt voller Informationen zu überbordenden Reizen, starken Gefühlen, Detailgenauigkeit in der Sprache, zu Enthusiasmen, Sensibilitäten und Fähigkeiten.
Bei mir verankert sich vor allem die Löffeltheorie. Wo ich am Morgen in der Regel mit 50 Löffeln aufwache, die ich dann für meine Aktivitäten unbedarft verschleudern kann, sind es bei Maria oft nur 10, oder gar 5. Dann muss sie mit ihren Aktivitäten genaustens haushalten. Wenn möglich sogar unter tags noch Löffel schöpfen.
Und manchmal gibt es kein Entfliehen. Wenn es zur Reizüberflutung kommt oder Routinen auseinanderfallen, schaltet das autistische Gehirn in den „Katastrophen Modus“. Meltdown oder Shutdown können die Folge sein. Das Gehirn „kämpft“ oder „erstarrt“.
Zwischen einem Sachbuchtext mit vielen einprägsamen Bildern und empathisch erzählten Lebensdetails in illustrativ puristischer, pulsierender, farbintensiver Gestaltung dürfen wir 216 Seiten in den Schuhen eines Menschen im Autistischen Spektrum gehen. Das ist ein fantastischer Zugewinn. Danke für das Teilen von Wahrnehmungen, für diese Erweiterung unseres Verständnisses, für einen neuen Aspekt von Diversität. Lest es und fragt Euch, wer eigentlich die Normen macht.